Für Demokratie zu kämpfen ist online wie offline ratsam. Und doch mutet Fight for Democracy ein wenig wie eine Antwort auf Unarten an, wie sie gerade im virtuellen Raum lauern: Die Workshopreihe in der börse setzt netztypischen Gefahren ein Programm entgegen – auf inhaltlicher und struktureller Ebene und nicht zuletzt: Gesprächskultur.
Das Format ist Teil des Förderprojekts „Demokratie leben“ und geht brisante Trends und Tollheiten an. Nicht wenig davon ist fürs Internet typisch oder feiert dort zumindest fröhliche Urständ. Leiter der Workshops und Seminare sind etwa Uni-Dozenten oder auch in der politischen Praxis Aktive, wie in einem Fall bei der Amadeu-Antonio-Stiftung.
Die Kursreihe folgte der Vorgängerin „Fight against Racism“ von 2020. Beide fanden wegen Corona meist digital statt, waren aber ursprünglich in Präsenz geplant. Zur Frage nach den digitalen Aspekten der Kurse, erklärt Organisatorin Anja Kunz, es gehe ihnen um die Verbindung von und die Wechselwirkung zwischen Gefahren der digitalen und der realen Welt.
Phänomen Hate Speech
Soziale Dynamiken spielen sich im Grundsatz zwar immer ab, sobald Menschen aufeinandertreffen, doch ein Internetforum bietet Bedingungen dafür, sie zu verschärfen und zu beschleunigen. Etwa blitzschnelles Schreiben und Antworten unter Wildfremden, mit der Möglichkeit, erst ätzende Posts abzusondern und sich dann jederzeit wieder auszuklinken – gegenseitiges Hochschaukeln inklusive. Fight for Democracy setzt Wissen und Methoden dagegen.
So behandelte David Römer (Uni Trier) mit „Verschwörungstheorien – und wie sie sprachlich glaubhaft gemacht werden“ vorigen Mai rechte Versuche, im allgemeinen Diskurs Fuß zu fassen, speziell am Fall der bekannten „Umvolkungs“-These. Gleich mehrere Termine widmeten sich der Hassrede. Die mittlerweile im Deutschen gängige Rede von der Hate Speech meint auch Online-Typisches: Kürze, Tempo, Anonymität. Konkrete Hilfestellung gab dabei im Juli der Praxis-Workshop „Im Namen der Demokratie: Hate Speech widersprechen“.
Austausch auf Augenhöhe
Während der Kurs um Verschwörungsmythen inhaltlich ansetzte und der Hate-Speech-Kurs bei den Strukturen netztypischer Hetze, war der Workshop im Oktober vielleicht ein Sonderfall: „Betzavta/Miteinander: Wie demokratisch leben und handeln?“ stellte ein in Israel entwickeltes Konzept vor, bei dem schon die Zielsetzung des Trainings aufhorchen ließ: „Konflikte in Dilemmata umwandeln“. Dilemma als Wunschergebnis? Verzicht aufs Auskämpfen gegensätzlicher Haltungen und auf die Aussicht, dass eine davon siegt? Mit Blick auf das netztypische Messerwetzen klingt das fast zahm. Anja Kunz dazu: „Ich würde es so beschreiben, dass es bei Betzavta um die Bewusstmachung von Dilemmata geht – und bestenfalls, aber nicht primär, deren Auflösung. Und vor allem um die grundlegenden Fragen, Probleme und Chancen demokratischer Entscheidungsfindung.“
„Zurück an den Verhandlungstisch“ bezeichnet in der großen Politik die Rückkehr zum Austausch auf Augenhöhe. Ähnlich scheint es bei einem Ansatz wie Fight for Democracy mit seiner Rückkehr zum Reden, weg vom Niveau der Kotz-Emojis und Kurzkommentare: den anderen als Gegenüber persönlich wahr- und damit erst wirklich ernst zu nehmen.
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