Manches kann man nicht oft genug sehen, und manches gab es noch nicht zu sehen. Unter den Bildern der städtischen Sammlung, die jetzt als eigene Ausstellung im Von der Heydt-Museum gezeigt werden, finden sich auch einige, die erst in jüngster Zeit hinzu gekommen sind. Unbestrittenes Meisterwerk ist der „Wald am Morgen“ von Otto Dix. Das Bild hat es in sich. Entstanden 1940 am Bodensee, in der Zeit der inneren Emigration und Ächtung durch die NS-Diktatur, ist es für die Malerei von Dix untypisch. Menschen fehlen, weder Stadt noch Innenraum sind zu sehen. Altmeisterlich, sozusagen außerhalb jeder Zeit, ist ein dichter, kaum zugänglicher Wald gemalt. Die Bäume und Blätter verschließen sich. Tatsächlich ist dies symbolisch zu verstehen: als Verweigerung, die unter der Oberfläche pulsiert – es handelt sich um ein Programmbild dieser Zeit, aus der Hand von Otto Dix. Wie besonders der „Wald am Morgen“ ist, bestätigen die Gemälde, die im Von der Heydt-Museum in der Nachbarschaft hängen und Dix als politischen und sozialkritischen Künstler vorstellen. Sein Selbstbildnis von 1922 wie auch sein „Bildnis Karl Krall“ (1923), sogar das Portrait, das Conrad Felixmüller von Dix gemalt hat, zeigen die enorme Präsenz des Menschen, vital eingebunden in die Gesellschaft, als Teil der Großstadt. Aber umso mehr ist der „Wald am Morgen“ eine Bereicherung für die Wuppertaler Sammlung –, und es ist ein Geschenk: aus dem Nachlass der Besitzer, aus Verbundenheit gegenüber dem Von der Heydt-Museum.
Schon damit kommen Qualitäten der Museumssammlung zum Ausdruck. Da ist zum einen das bürgerschaftliche Engagement, das sich in seiner 108jährigen Geschichte mit Schenkungen und Stiftungen manifestiert, wie etwa der Brennscheidt- Stiftung. Und da ist der Glücksfall, dass die Sammlung mit ihren vielen hochrangigen Kunstwerken (und schon allein einem Gemäldebestand von etwa 3.000 Werken) Überblicke über die einzelnen Epochen und gar zu wichtigen Künstlern ermöglicht.
In der jetzigen Präsentation im zweiten Obergeschoss bilden die Werke, die das Musée Marmottan Monet im Gegenzug für die Leihgaben zur Wuppertaler Monet-Ausstellung in Paris zeigen konnte, den Ausgangspunkt. Zusammen mit den sonstigen Beständen entwickelt sich daraus ein erfreulich großzügiger Durchgang durch die Kunst seit etwa 1900. „Retour de Paris“ setzt ein mit den Ausläufern des Impressionismus, die bereits wieder zur umrissenen Form zurückkehren. Diese ist dann für die expressionistische Malerei charakteristisch. Deren französische Vertreter, die „Fauves“, sind in der Ausstellung ebenso repräsentiert wie die deutschen Gruppen „Die Brücke“ und der „Blaue Reiter“. Ein Hauptwerk des „Blauen Reiter“ ist der „Fuchs“ von Franz Marc: Bildfüllend in die abstrahierte Landschaft gesetzt, wird das Tier in fließenden Läufen genau erfasst. Der „Fuchs“ befindet sich seit 1952 in der städtischen Sammlung, als Schenkung von Eduard von der Heydt. Insgesamt hat Wuppertal rund 300 Kunstwerke von August und seinem Sohn Eduard von der Heydt erhalten, als Zeichen der Dankbarkeit trägt das städtische Museum seit 1961 den Namen der Familie.
Zu den Höhepunkten der aktuellen Präsentation gehören weiterhin die ausgiebige Würdigung von Max Beckmann und im einstigen Klee-Kabinett die Gegenüberstellung von Dix-Graphiken mit Klee-Zeichnungen. Ohnehin, immer wieder finden sich erhellende Nachbarschaften: Otto Freundlich hängt neben Carl Hofer und Hans Hoffmann neben Lyonel Feininger. Oder in der Kunst nach 1945 korrespondiert C.O. Paeffgens Portrait des Ministerpräsidenten Johannes Rau (1983) mit Gemälden von Polke und Warhol. Freilich, je mehr wir uns der Jetzt-Zeit nähern, desto stärker tun sich Lücken auf. Ein Blickfang ist noch einmal das Gemälde von Kuno Gonschior, dem wichtigen Farbfeldmaler, der vor kurzem verstorben ist und mit seiner bildfüllenden Setzung breiter Pinselstriche die Malerei der Impressionisten berührt. Die jüngste Kunst ist lediglich mit einzelnen Bildern „dabei“, mangels bemerkenswertem festen Ankaufsetat ist das nur Stückwerk. Gerhard Finckh, der Direktor des Von der Heydt-Museums, handelt richtig, indem er die Bedeutung der historischen Sammlung herausarbeitet – und noch für die Fehlstellen sensibilisiert.
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