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Regina Bendix
Foto: Sandra Eckardt

„Fest und Protest sind sich sehr nah“

27. September 2022

Kulturanthropologin Regina Bendix über die Bedeutung öffentlichen Feierns – Teil 2: Interview

engels: Frau Bendix, Halloween, der Beginn der Karnevalszeit, St. Martin, Advent – ab Oktober folgen die Feste wieder Schlag auf Schlag. Warum ist die zurückliegende Sommerzeit so arm an solchen Bräuchen?

Regina Bendix: Ist sie ja gar nicht – die festlichen Ereignisse sind vielleicht nur örtlicher gebunden. Im ländlichen Bereich gibt es den ganzen Sommer über die Dorfkirmes , jetzt nach dem Lockdown lebt sie an vielen Orten wieder auf. Es gibt die örtlichen Schützenfeste. Es gibt aller Arten von Sonderfesten wie etwa besondere Märkte, Feste und Wettbewerbe in Schwimmbädern. Im urbanen Raum gibt es die Sommerkarnevale, gerade weil Fasnacht und Karneval im Winter eben doch mehrdrinnen stattfinden. Dann haben wir die Christopher Street Parade und assoziierte Regenbogen-Events, also eine in der Spätmoderne der 1960er Jahre erfundene Tradition, die viele Orte jetzt ins Feierprogramm aufgenommen haben. Es gibt die Reenactment Feste, bisweilen verbunden mit Mittelaltermärkten und/oder Musikevents. Es gibt die riesigen bis heimeligen Musikfestivals, die zu Traditionen geworden sind, wie etwa das Open Flair in Eschwege. Und dann gibt es auch im Sommer religiöse Jahreslaufbräuche, wie etwa Maria Himmelfahrt am 15. August, die in manchen katholischen Gebieten auch mit größeren Prozessionen begleitet werden. Und die Neu-Paganer feiern ebenfalls im Sommer das eine oder andere Fest, also z.B. die Sommersonnenwende.

Unterscheidet die Forschung zwischen Brauch und Fest?

Das ist ein wissenschaftlich dicht abgegrastes Terrain. Im 19. Jahrhundert hat man zwischen Sitte und Brauch unterschieden, wobei letzteres die Jahres- und Lebenslauffeste meinte. Auch hat man versucht, zwischen Fest und Ritual zu unterscheiden. Was uns zu einem gewissen Grad von dieser definitorischen Begrenzung befreit hat, ist die Erkenntnis der „Erfindung der Tradition“ durch die britischen Historiker Eric Hobsbawm und Terrence Ranger, die sie in ihrem Buch „The Invention of Tradition“ beschrieben haben: Feste, Feiern und Bräuche gibt es nicht ewig, Menschen erfinden gerne auch neue Markierungen im Jahres- und Lebenslauf. Bis in die Nachkriegszeit hat etwa niemand den 30. Geburtstag groß gefeiert, erst danach wurde in Norddeutschland das Klinkenputzen erfunden. Mit dem Erfinden einher geht dann oft auch die Behauptung, dass es sich um eine alte Tradition handele, weil der Wunsch, historisch verankert zu sein, für manche Leute tief ist. Es ist angebrachter, das Nichtalltägliche bei solchen Ereignissen anzuschauen: Bräuche und Feste unterbrechen den Alltag, sie bieten Verkleidung, Umzüge und Paraden, besondere Musikgattungen wie Blasmusik oder Singalongs, besonderes oder zumindest üppiges Essen und Getränke. Im Englischen nutzt man den Begriff „time out of time“ – also eine Zeit außerhalb der normalen, regelbehafteten Zeit, während welcher man sich auch anders verhalten, über die Stränge schlagen darf, in der vielleicht auch Hierarchieverhältnisse aufgelöst sind, wie etwa beim Karneval. Angesichts der Dichte der oben aufgezählten Sommerfeste sowie weiterer Unterhaltungsformen, die an Dichte ebenfalls enorm zugenommen haben – wie zum Beispiel Messen für Fans oder große Sportevents – versucht man fachlich jetzt mit den Begriffen „Unterhaltung und Vergnügen“ das wirklich weite Spektrum einzufangen, das sich auch mit der Zunahme an Freizeit ausdifferenziert hat.

Halloween hat sich im deutschen Sprachraum etabliert, das Erntedankfest findet dagegen öffentlich kaum noch Erwähnung. Warum?

Halloween gibt es in Deutschland mindestens seit den frühen 1990ern, auf den US-Militärbasen vermutlich länger. Der Brauch ist mit ziemlicher Sicherheit zum einen aus dieser Besatzungszeit heraus ins deutsche Feierinteresse „gesickert“ und zum anderen durch die kommerziellen Möglichkeiten, die Kostüme, Süßigkeitenverkauf und Hausdekorationen bieten, auch auf Anklang gestoßen. Da Halloween auf den 31. Oktober fällt, was auch im christlichen Kalender eine bereits brauchtümlich besetzte Zeit ist – Allerseelen, Allerheiligen, sowie dann St. Martin am 11. November, der wiederum auch Karnevalsbeginn ist – konnte er sich teilweise durchaus gut einnisten. Historisch gesehen ist das eine immer wieder genutzte Praxis: so hat etwa das missionierende Christentum viele seiner Feiertage auf die davor schon bestehenden „vorchristlichen“ Feiern gelegt, also eben Johannis auf Mitsommer, Weihnachten auf den kürzesten Tag im Jahr, Ostern auf die Tag und Nacht Gleiche im Frühling – die Neupaganer haben sich diese Termine teilweise zurückerobert. Da Allerheiligen und Allerseelen gerade auch in einer sich säkularisierenden Gesellschaft außerhalb des kirchlichen Lebens wenig Markierung finden, bietet Halloween eine Gelegenheit, in der zunehmend dunklen und wettermäßig tristen Spätherbstzeit Farbe und Licht zu generieren. Das kommerzielle Interesse war und ist dabei sicher dominant gewesen. Ich lebe seit 2001 in Deutschland und habe das Ringen um Halloween mit Interesse beobachtet. Halloween hat in gewisser Weise St. Martin wieder Auftrieb gegeben: Für manche Kinder bzw. Familien ergeben sich daraus kurz hintereinander zwei Optionen, von Haus zu Haus zu gehen, unterschiedliche Lieder oder Sprüche darzubieten und Süßigkeiten zu bekommen. Die Nutzung von Kürbissen als Deko, ob ausgehöhlt und mit geschnitzten Fratzen oder nicht, hat auch dem Anbau von Kürbissen Vorschub geleistet. Bei St. Martin hat man ab und an auch Umzüge mit Rübenlaternen dabei – oder Lampions. Das wirtschaftliche Interesse mischt bei all diesen Anlässen mit, manchmal dominant, manchmal einfach sachte anschürend. Im Fall von Halloween vs. St. Martin sind aber sicher auch die kirchlichen Vertreter:innen stark beteiligt. In Norddeutschland hat das „Einheimische“ gewonnen, dadurch, dass man als neuen Feiertag den Reformationstag gewählt und auf den 31. Oktober gelegt hat, ist Halloween das Wasser schon erheblich abgegraben worden. Ich bin jedenfalls gespannt, ob sich dies noch weiter drehen wird. Erntedank bleibt, soweit ich dies beobachte, stark in den Kirchen verhaftet und in gewisser Weise kann man vielleicht sogar die Behauptung aufstellen, dass die großen orangen Kürbisse, die eigentlich aus Japan und den USA kommen, dem atmosphärischen Gefühl von Erntedank zuträglich sind. Das klassische Erntedankfest, wie man es aus der Literatur des 19. Jahrhundert kennt, war auch weniger terminlich genau festgelegt, sondern eben an einzelne Höfe, Familien und deren Mitarbeitende gebunden. Eine terminliche Festlegung seitens der Kirche gab es zum Beispiel in Deutschland nur unverbindlich ab den 1970ern.

Feste, die sich als Events inszenieren lassen, scheinen einen ‚Vorteil‘ gegenüber ‚stillen‘ Festen zu haben. Welche Rolle spielt hier die visuelle Form, etwa Schmuck im öffentlichen Raum?

Ich würde hier hinterfragen, was mit „Vorteil“ gemeint ist. Es ist auch hier wieder zu betonen, wie stark eben wirtschaftliche Vorteile aus den visuellen, dekorativen Komponenten eines Festtages herausgeholt werden können. Nehmen sie Weihnachten: Kekse gibt es quasi ab September, Weihnachtsangebote werden in Warenhäusern ebenfalls mehr als zwei Monate vor dem Fest schon eingerichtet. Die visuelle Inszenierung beginnt mit dem Weihnachtsmarkt, viele Städte hängen Weihnachtsbeleuchtung auch nur in den Einzelhandelszonen auf – auch hier also sieht man, wie Stadtregierungen und der Einzelhandel Hand in Hand agieren, die Einzelnen können sich hier gegen das Fest kaum „wehren“. Aber wenn wir bewerten wollen, wie Feste oder Events empfunden werden, dann sind diese visuellen Marker nur ein Aspekt des ganzen Komplexes. Die starke wirtschaftliche Untermauerung solcher Jahresereignisse bedeutet ja nicht, das die Feiernden sich den ganzen Spätherbst über weihnachtlich fühlen. Die eigene „Uhr“ des Feierns divergiert stark, manche fühlen sich eben nur vom 24. bis zum 26. Dezember weihnachtlich, andere spüren Vorfreude beim Backen davor, andere tauchen ab und versuchen gar nichts davon mitzunehmen. Die Erfahrung des Feierns ist sehr individuell. Auch große Events, wie ein Karneval, können den einzelnen in einem Jahr komplett mitnehmen, in einem andern Jahr ist vielleicht eine neue Familienkonstellation da, ein Verlust erlitten, dann bietet das Fest immer noch eine Gegenwelt und hilft einem vielleicht aus einer Depression heraus, das ist sehr unterschiedlich. Dass die Bedeutung des Feierns starkem Wandel unterliegt, ist klar. War der Karneval in der Frühneuzeit durchaus noch bestimmt von der Tatsache, dass die Nahrungsmittel im Winter knapper wurden und diese festliche Hochstimmung dann die Fastenzeit einläutete, bis eben das Frühjahr und das Wachstum neuer Feldfrüchte begann, so ist heute selbst in der bedrückenden Kriegs- und Klimakrise, in der wir uns befinden, vorerst nicht zu erwarten, dass wir hungern müssen. Der Sinn des Karnevalesken besteht entsprechend eben in der Aufhebung von Normen, darin in andere Rollen zu schlüpfen, Musik, Spaß, Umzüge durch Straßen, die sonst von dichtem Verkehr dominiert werden – also in einer Gegenwelt.

Versuche das indische Holi-Fest in Deutschland einzuführen, blieben erfolglos. Der Christopher Street Day hingegen wird weit über die LBTIQ*-Szene hinaus wahrgenommen und auch von Nicht-Szeneangehörigen gefeiert. Wie entscheidet sich, was sich durchsetzt?

Um das zu eruieren, müsste man Feldforschung durchführen. Das Holi-Fest wurde meines Wissens eben von Entrepreneurs eingeführt, die sich Stadien mieteten, wo das dann gleich einem Wanderzirkus auch zu ganz anderen Jahreszeiten als in Indien stattfinden konnte. Ob diese Organisatoren nach-pandemisch noch einen Anlauf nehmen, wird sich zeigen. Jedenfalls gibt es in der Tat meines Wissens keine lokalen Clubs oder Vereine, die das jetzt als Aufgabe übernehmen, anders als im 19. und 20. Jahrhundert, als zunehmend Vereine begannen diverse Bräuche zu organisieren, weil Dorfgemeinschaften nicht mehr die Energie dafür aufbrachten. Die LGBTIQ*-Szene dagegen wächst nach wie vor und es sind längst nicht mehr einzig homosexuelle Männer, die Christopher Street Parades tragen. Die gesellschaftliche Diskussion von Gender ist sehr dicht, so dass es eben nicht nur homosexuelle, sondern LGBTIQ*-Personen sind, die hier mitorganisieren und feiern und es gibt viele Menschen, die sich heterosexuell identifizieren, aber trotzdem die Parade genießen und unterstützend mitfeiern. Politisch ist die Gleichstellung sexueller Orientierungen global gesehen noch lange nicht erreicht, so bleibt auch die politische Motivation des Anlasses.

Oktoberfest, Karneval oder auch der Urlaub am Ballermann – tolerierte öffentliche Exzesse lassen sich bis zur Antike zurückverfolgen. Ist der ritualisierte Regelübertritt typisch europäisch oder global?

Ritual bedeutet in gewisser Weise immer Regeländerung. Wie oben geschildert: Feste sind eine „Zeit außerhalb der Zeit“, Normen sind aufgehoben. Oft werden sie durch Ritualregeln ersetzt – so ist auch eine Beerdigung eine Zeit außerhalb der Zeit, wo wir unsere Trauer markieren und einem Verstorbenen einen Abschied aus der Gemeinschaft gestalten dürfen – und dies dann durchaus bisweilen auch mit exzessiven Getränken gegen Ende der Feier tun. Das Gegenteil von Exzess ist normiertes Verhalten, nicht über die Stränge schlagen, soziale Regeln einhalten, den Hunger und Durst stillen und nicht einfach mehr und mehr in uns hineinschütten. Das Denken verändernde Substanzen – wie das Alkohol und Drogen und vielleicht gar der exzessive Zuckergenuss, der viel Energie frei setzt, sind – verhelfen uns auch dazu, uns von den Normen zu befreien, ausgelassen zu tanzen und zu grölen oder zumindest die Musik laut aufzudrehen. Lärm, mit Feuer spielen, auch mit Feuerwerk, sexueller Lust offen Raum zu geben – das ginge schlecht im geordneten Alltag. Man möchte das auch nicht 365 Tage im Jahr, es ist ein dezidiertes Gegenprogramm. Und nein, es ist überhaupt kein exklusiv westliches Programm. Sie haben selbst das Holi-Fest genannt, nur eines von vielen farben- und klangprächtigen Hindu-Festen. Rituale sind eine kulturelle Konstante, und da Kulturen alles andere als hermetisch abgeschlossen waren und sind, werden Ideen auch übernommen und ausgetauscht. Dass der globale Handel das Seine dazu beisteuert, habe ich beschrieben.

Verkleidungen und Rollenspiele sind Teil vieler Traditionen. Mit Blick darauf werden zunehmend Fragen nach kultureller Aneignung oder Rassismus gestellt. Fördern oder behindern Rollenspiele die Fähigkeit, sich in andere Perspektiven zu versetzen?

Spielen insgesamt befördert die Möglichkeit, Realitäten anders wahrzunehmen. Durch spielen lernen wir einerseits als Kinder unsere eigenen kulturellen Alltagslebensweisen, aber im Spielen probieren wir uns aus. Eine Maske zu tragen führt rein körperlich schon zu einem andern Gefühl, etwa ein unförmiges Pelzkostüm oder eine Maske mit kleinen Augen, was unseren Blickradius beeinflusst. So sind, würde ich argumentieren, Masken und ganze Kostüme erst mal eine Herausforderung an unser Ich, an unser eigenes Alltagsselbst. Wer am Oktoberfest ein Dirndl trägt und sonst immer Jeans, wird sich ob der plötzlichen Betonung des Busens sicher auch „anders“ fühlen, eventuell auch fühlen wollen – ob das mit den Lederhosen auch so ist, wäre zu fragen. Eine andere Erfahrung ist es bestimmt, die beschränkend oder eben öffnend sein kann. Aber wenn ich einen Arztkittel und Stethoskop umhänge, dann versetze ich mich noch nicht in die Rolle eines Arztes; wenn ich ein „kulturelles“ Kostüm wie eben ein Indianerkostüm mit Federkopfschmuck und Mokassins trage, dann habe ich immer noch nur unsere stereotypisierte Rollenvermutung angezogen, ich bin dadurch nicht in der Lage, eine andere kulturelle oder weltanschauliche Perspektive wahrzunehmen. Wenn ich meinen Körper tätowiere, wie dies eigentlich vor allem aus der polynesisch-pazifischen Welt zu uns gelangt ist – ich warte immer drauf, dass jemand verdeutlicht, welch enorme „cultural appropriation“ das darstellt, aber es bleibt ja dann doch bei den Rastazöpfen – so verstehe ich immer noch rein nichts von der Welt- und Kosmosanschauung, die hinter den dortigen Motiven steht. Dass wir uns aber gegenseitig die Freiheit gönnen sollen, ja müssen, uns auszuprobieren – schließlich tragen wir ja auch mal Tierkostüme oder Baumkostüme etc. – scheint mir selbstverständlich. Wir sind ein derartig mit unserer Identität kämpfendes Lebewesen, dass gerade das Schlüpfen in Rollen hilfreich und befreiend ist, selbst wenn es nur für die Dauer eines Karnevals stattfindet. Heißt: Maskieren ist noch am ehesten ausprobieren, von Aneignung kann keine Rede sein – denn es bedürfte der Sprache und der ganzen habituellen Lebensweise, um überhaupt von Aneignung zu sprechen. Die Dinge, die übernommen werden, bleiben an der Oberfläche. Problematisch sind sie, wenn a) daraus Gewinn gemacht wird und b) wenn hegemonial-überheblich und verletzend damit umgegangen wird. Was natürlich mit Teilen von Blackface, aber auch „Redface“ worüber ja kaum gesprochen wird, geschah – die jetzige Diskussion bezüglich des „jungen Winnetou“ ist in dem Zusammenhang interessant.

Sind ritualisierte Auschweifungen Ausdruck für ein Bedürfnis nach Auflehnung oder dienen sie eher der Aufrechterhaltung der Ordnung?

In der Geschichte des Karnevals, ebenso wie in der wissenschaftlichen Geschichte der Karnevalsanalyse, findet man beide dieser Antworten. Es kann beides stimmen und gleichzeitig ist es dann immer noch mehr. Es gibt wunderbare Studien zum mittelalterlichen Karneval, die zeigen, wie zu Beginn des Karnevals „das Volk“ oder „die niederen Stände“ den Schlüssel zum Rathaus holen und Bürgermeister und Bischof abtauchen, während dann eben die allgemein unterdrückten und besteuerten Menschen diese Rollen übernehmen, auf dem Narrenschiff die Stadt regieren, sich lustig machen über ihre Oberhäupter etc. Analytisch wird auch ins Feld geführt – es gibt meines Wissens auch Quellen dazu – dass diese Taktik, mit einem klaren Beginn und Ende, die Machtverhältnisse eben auch überleben ließ. Denn, und das wäre Ihre zweite These, die so auch Bronislaw Malinowski, einer der ersten feldforschenden Ethnologen, in seiner funktionalistischen Theorie aufgestellt hat: Feste dienen dazu, Dampf abzulassen; danach kann man sich dem Alltag wieder einordnen oder sich seinen Vorgesetzten wieder unterordnen. Aber: Fest und Protest sind sich sehr nah, in ihrer Ausgestaltung, in ihrem Brechen von Alltagsrhythmen, im Maskieren, im Lärm, im Übernehmen von Straßen für Paraden: Die Französische Revolution hatte durchaus auch Elemente des Rituellen, der Arabische Frühling ebenso. In unserer Gesellschaft haben wir Protest gebändigt: man muss ihn anmelden und der Gegenprotest muss dies auch. Aber wenn Situationen unerträglich werden, greifen Menschen zu Protest, inklusive ritueller Komponenten. Es gibt also vielleicht die regulären Bedürfnisse nach dem Brechen von Alltagsordnungen – die wir heute mit unserem Übermaß an Vergnügungs- und Feierangeboten fast schon exzessiv befriedigen. Aber es gibt rund um den Globus auch die Pulverfässer von Darben, Leid, Unterdrückung, Ausbeutung, die in Protest münden können.

 

FREMDE BRÄUCHE - Aktiv im Thema

experiment-ev.de | Deutschlands älteste gemeinnützige Organisation für interkulturellen Austausch“ vermittelt Gastfamilienaufenthalte für Schüler, Studenten und Erwachsene.
via-bund.de | Der Verband für interkulturelle Arbeit e.V. versammelt bundesweit über 100 Organisationen, die in der Migrations- und Flüchtlingsarbeit aktiv sind.
ifa.de/foerderungen/elisabeth-selbert-initiative/ | Die 2020 gegründete Elisabeth-Selbert-Initiative, benannt nach einer der „Mütter“ des Grundgesetzes „bietet gefährdeten Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern einen sicheren Ort“.

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Interview: Christopher Dröge

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