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Blackbox Prostitution – des einen Lust, der anderen Leid ...

Herr Drüsentrieb im roten Licht

31. Oktober 2013

Prostitution ist nach wie vor gesellschaftliches Tabuthema – THEMA 11/13 KAUFLUST

Wenn es mit allen menschlichen Drüsen so einfach wäre wie mit der Bauchspeicheldrüse, sähe die Welt vermutlich anders aus. Die Bauchspeicheldrüse arbeitet nur, wenn sie gebraucht wird. Gerade bei den menschlichen Fortpflanzungsorganen würde ein Standby-Modus manche Probleme aus der Welt schaffen. Erst wenn sich zwei Menschen ganz dolle lieb haben, würden entsprechende Körperfunktionen in Gang gesetzt. Die Doktrin, die die Aufklärungsbroschüren von vor 50 Jahren beherrschte, dass zum Akt zwei sich liebende und am besten verheiratete Menschen gehören, wäre leicht umzusetzen. Die Realität aber sieht bekanntlich anders aus. Während die Drüsen unentwegt arbeiten, finden die betroffenen Menschen nicht immer jemanden zum ganz-dolle-lieb-Haben. Kein Deckel da, aber im Topf kocht es. Eine mögliche Folge dieses Mangels: Sexuelle Handlungen werden zu Dienstleistungen, zu Waren, haben ihren Preis. Der Begriff „das älteste Gewerbe der Welt“ will signalisieren, dass Prostitution seit Urzeiten gängige Praxis zwischen den Menschen war und ist.

Prostitution ist keine Erfindung der Gegenwart
Egal ob man in die Steinzeit oder in die Adenauerzeit schaut, es wird schnell klar, Prostitution ist keine Erfindung der Gegenwart. Die moralische Wertung fällt allerdings inzwischen etwas differenzierter aus als früher, als Prostitution offiziell nicht stattfand. Vertreterinnen von Hurenorganisationen sprechen in Talkshows offen über die Probleme im Milieu. Wohlfahrtsverbände bieten niederschwellige Hilfen für die betroffenen Frauen und Männer an. Die damalige rot-grüne Bundesregierung reagierte bereits vor 11 Jahren und schaffte mit dem Prostitutionsgesetz eine rechtliche Grundlage, die Arbeit von Prostituierten als Beruf anzuerkennen. Zwar steht der rechtlich einklagbare Lohn für die meisten Prostituierten nach wie vor nur auf dem Papier, ein Anfang zumindest ist gemacht. Die Tatsache, dass der Staat durch seine Finanzämter zwar bei den Sexarbeiterinnen abkassierte, sie aber nicht wie andere Arbeitnehmer vor gravierender Ausbeutung schützte, ließ sich nicht länger als gerechte Praxis vermitteln.

Die Probleme allerdings haben sich seit Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes eher verschärft. Viele Betroffene fallen nämlich nicht unter die rechtliche Neuregelung. Minderjährige gehen nach wie vor auf den Strich. Die Hilfsangebote für diese Klientel finanzieren sich zu großen Teilen aus Spenden. Auch Drogenabhängigen, die sich zur Beschaffung ihrer Tagesration auf äußerst gefährliche Praktiken und Situationen einlassen, wird nicht dadurch geholfen, dass ihr Lohn nun einklagbar ist. Nur die legale Abgabe von Drogen und Drogenersatzstoffen kann bei diesem Personenkreis vom Zwang zur Prostitution befreien. Hier allerdings ist der Gesetzgeber weit von einer Lösung entfernt. Auch eine neue Bundesregierung wird Heroin wahrscheinlich nicht freigeben.

Stark zugenommen hat seit einigen Jahren der organisierte Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. International agierende Banden versorgen manch zwielichtige Etablissements mit wehrlosen, weil rechtelosen Frauen. Nur selten gelingt es, Betroffene zu einer Aussage zu überreden, müssen sie doch um ihr Leben und das ihrer im Heimatland gebliebenen Familienangehörigen fürchten. Kommen die Betroffenen nicht aus der Europäischen Union, droht ihnen bei Razzien die Abschiebung. Andrea Hitzke von der Dortmunder Mitternachtsmission fordert daher ein Bleiberecht für Prostituierte aus Nicht-EU-Ländern, die aussteigen wollen. Bislang entgehen Frauen nur der Abschiebung, wenn sie gegen Menschenhändler aussagen.

Die Einreise und auch die Arbeit als Prostituierte ist für Frauen aus Rumänien und Bulgarien zwar inzwischen durch den EU-Beitritt beider Staaten legal, die Situation der Betroffenen aber trotzdem mit vielen Problemen behaftet. Mangelnde Sprachkenntnisse, soziale Isolation und fehlende rechtliche Informationen machen die Frauen schnell abhängig von Zuhälterringen. Wer gekommen ist, um sich oder auch die ganze Familie aus dem Elend im Herkunftsland zu befreien, findet sich schnell in einem Albtraum wieder.

Trotz all dieser eklatanten Verletzungen der Menschenwürde sollte man nicht den Schluss ziehen, dass alle Frauen, die im Milieu arbeiten, dazu gezwungen werden. Natürlich ist der Beruf der Hure kein Beruf wie jeder andere. Andrea Hitzke dazu: „Wir sehen, dass die Prostitutionstätigkeit langfristig physische und psychische Schäden anrichtet. Das gilt aber auch für andere Tätigkeiten außerhalb der Prostitution. Es gibt sicher Frauen, die sagen, dass es ihnen nichts ausmacht.“ Insofern ist eine Doppelstrategie sicherlich hilfreich. Der sexuellen Ausbeutung von Mädchen und Frauen muss mit allen staatlichen Mitteln begegnet werden. Beratung und Ausstiegsprojekte sollten besser finanziert werden. Die Menschen aber, die freiwillig als Sexarbeiterinnen oder Sexarbeiter tätig sein wollen, brauchen sichere Arbeitsbedingungen, Zugang zu bezahlbaren Sozialversicherungen und Möglichkeiten der Umschulung. Und: Prostituierte verdienen unseren Respekt.

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