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Wo Licht ist, ist auch Schatten: Gary Oldman als George Smiley in „Dame König As Spion“.
Foto: Presse

„Heute muss alles schneller ablaufen“

26. Januar 2012

Gary Oldman über „Dame, König, As, Spion“, seine Ablehnung der Digitalisierung und seine jüngsten Fans – Roter Teppich 02/12

Der 1958 in Süd-London geborene Gary Oldman wurde durch die Biopics „Sid & Nancy“ und „Das stürmische Leben des Joe Orton“ in den 80er Jahren berühmt. In über 60 Filmen (darunter Rollen als Sirius Black in den „Harry Potter“-Filmen und als Polizeichef Gordon in Christopher Nolans „Batman“-Revival) hat er sich mittlerweile an die Spitze der internationalen Filmstars gespielt. In „Dame König As Spion“ sieht man ihn nun als besonnenen Geheimdienstchef auf der Leinwand.

engels: Mr. Oldman, Sie scheinen ein Faible dafür zu haben, hin und wieder in Literaturverfilmungen mitzuspielen. Lesen Sie selbst auch gerne?
Gary Oldman:
Ja, wenn ich die Zeit dazu finde. Dennoch tendiere ich eher dazu, Nicht-Fiktionales zu lesen. Aber ich habe immer einige Bücher bei mir, im Moment lese ich eines über George Washington. Romane allerdings eher weniger.

Haben Sie trotzdem im Vorfeld der Dreharbeiten auch den Roman „Dame König As Spion“ gelesen?
Oh ja. Ich erinnere mich, dass ich auf die Le-Carré-Bücher aufmerksam wurde, nachdem ich 1979 die Fernsehserie gesehen hatte, die auf diesem Buch basiert. Damals begann ich mich für Le Carré zu interessieren und habe dann in der Folge auch einige seiner Bücher gelesen.

Wie eng war John Le Carré denn in die Dreharbeiten involviert? Er fungierte ja als einer der Produzenten des Films und ist sogar mit einem Kurzauftritt auf der Leinwand zu sehen …
Na ja, er taucht darin wirklich nur in einer sehr sehr kurzen Szene auf. Er kam nur für einen eintägigen Besuch ans Set, und an diesem Tag wurde dann auch sein Kurzauftritt abgedreht. Aber er war insofern in das Projekt involviert, als dass er als Ressource da war, wann immer wir ihn benötigten. Er war wie eine Art Durchreisender, der dem Film seinen Segen gab und das Material in die Hände von Thomas Alfredson, dem Regisseur, übergab. Dazu musste er nicht Tag für Tag am Set sein und Thomas bei dessen Arbeit über die Schultern schauen.

Hatte er denn Einfluss auf die Besetzung der Rollen im Film?

Ja, den hatte er. Er diente bei der Besetzung als Berater für den Film. Glücklicherweise war er auch mit mir einverstanden, als die Idee aufkam, mich für die Rolle des Smiley zu besetzen.

Worin glauben Sie liegt die heutige Relevanz einer solchen Spionagegeschichte aus dem Kalten Krieg?
Ich glaube nicht, dass sich die Welt in der Zwischenzeit wirklich verändert hat. Die Gesichter haben sich meiner Meinung nach verändert, die Orte haben sich verändert, auch die Feinde sind heute andere. Aber nach wie vor scheinen wir durch Phasen der Stabilität zu gehen, die gelegentlich von externen Bedrohungen auf die Probe gestellt werden. Und ich glaube, dass „Dame König As Spion“ in dieser Hinsicht auch heute noch genauso relevant ist wie zu der Zeit, als der Roman geschrieben wurde.

Sie haben schon die Fernsehserie aus den späten 70er Jahren angesprochen, in der Alec Guinness den George Smiley spielte. Auch einige andere bedeutende Schauspieler haben die Rolle zuvor verkörpert, haben Sie sich von einer dieser Interpretationen inspirieren lassen?
Ich habe mir Guinness’ Darstellung nicht noch einmal angesehen, weil ich mich dadurch nicht beeinflussen lassen wollte. Das wäre sicherlich passiert, wenn ich ihn oder andere Darsteller in der Rolle unmittelbar davor noch einmal gesehen hätte. Aber ich wollte mir die Rolle selbst zu Eigen machen und sie wirklich neu interpretieren, anstatt mir die Interpretation eines anderen überzustülpen. Trotzdem war ich mir natürlich des Geistes von Alec Guinness sehr bewusst, der sich groß über mir abzeichnet, weil Guinness über so viele Jahre hinweg das Gesicht von Smiley war. Eine gewisse Beklommenheit hat deswegen schon von mir Besitz ergriffen, weil ich in großen Schuhen laufen musste.

Der Film hat eine großartige Ensemblebesetzung. Wie war es, an einem Set mit so vielen talentierten Schauspielern zu arbeiten, kam es da nicht zu Rivalitäten?
Nein, ganz im Gegenteil, es war überaus angenehm. Wir arbeiteten in einer sehr kreativen und freundschaftlichen Atmosphäre. Mit einigen der Schauspieler hatte ich auch im Vorfeld schon einmal gearbeitet, mit anderen stand ich hierfür das erste Mal vor der Kamera. Aber wir wussten alle voneinander, und ich glaube, wir bewunderten auch alle die Arbeit unserer Kollegen. Man könnte fast sagen, dass wir Fans von den jeweiligen Arbeiten der anderen waren und deswegen wirklich ein Team bildeten. Smiley ist natürlich so etwas wie die Speerspitze der Geschichte, aber das Ganze ist auch ein echtes Ensemblestück. Thomas Alfredson ist es gelungen, eine sehr lockere Arbeitsatmosphäre zu schaffen.

Sie sind nun schon seit mehr als 30 Jahren im Filmbusiness tätig. Was hat sich Ihrer Meinung nach seitdem daran verändert?
Man spürt mittlerweile sehr deutlich den Einfluss der digitalen Welt und Technologien. Dadurch hat sich auch der Arbeitsprozess beim Filmen deutlich verändert, denn man bekommt weniger Drehtage zur Verfügung, alles muss schneller ablaufen. Das hat sich seit meinen Anfängen wirklich spürbar verändert. Dadurch, dass man mit leichteren und kleineren Kameras viel einfacher Filme drehen kann, werden auch jede Menge schlechter Filme realisiert.

Sind Sie der Ansicht, dass der Drehprozess dadurch emotionsloser geworden ist?
Ich bin eine Art Romantiker was Zelluloid anbelangt. Allein die Tatsache, dass an das Zelluloid ein chemischer Prozess geknüpft ist, macht es meiner Meinung nach viel emotionaler. Der elektronische Prozess ist da wesentlich steriler. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass Zelluloid noch während meiner Lebenszeit überflüssig werden würde, aber mittlerweile sieht es ganz danach aus! Dabei bin ich nicht unbedingt der Meinung, dass diese Entwicklung eine positive ist. Sie stellen auf die Digitalisierung um, weil sie es können, und natürlich auch, weil dadurch ganz erheblich Herstellungskosten reduziert werden können. Es stimmt mich aber sehr traurig, den physikalischen Film verschwinden zu sehen.

Auf welche Weise hat sich Ihr Privatleben verändert, nachdem Sie mit den „Harry Potter“- und „Batman“-Filmen Bestandteil von zwei überaus erfolgreichen Filmserien geworden sind?
Mein Leben hat sich nur insofern verändert, dass meine Fans mittlerweile nicht mehr um die 40, sondern um die vier Jahre alt sind! Selbst die kleinsten Kinder erkennen mich heute. Aber das sind einfach großartige Fans! Das sind die echten Fans, und ich mag es sehr, mich den Menschen zu widmen, die die Potter-Reihe kennen und voller Enthusiasmus lieben. Die Folge ist eben, dass ich heutzutage deutlich häufiger erkannt werde als früher, aber ansonsten hat sich mein Leben nicht besonders stark verändert.

Haben Sie auch wieder Pläne, mal wieder einen Film als Regisseur zu drehen?
Ich arbeite derzeit wieder an etwas. Ich werkle eigentlich immer an etwas herum, und momentan schreibe ich mal wieder an einem Drehbuch, das ich mit etwas Glück dann 2013 als Regisseur verfilmen werde.

Frank Brenner

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