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Stürzt sich mit Eifer in einen ungewöhnlichen Prozess: Alexander Fehling in „Im Labyrinth des Schweigens“.

„Ich musste erst zu dieser Naivität finden“

30. Oktober 2014

Alexander Fehling über „Im Labyrinth des Schweigens“, umfangreiche Recherchen und die Arbeit mit Tarantino – Roter Teppich 11/14

Schon in seinem ersten Film „Am Ende kommen Touristen“, den der 1981 in Ost-Berlin geborene Alexander Fehling direkt nach seiner Schauspielausbildung drehte, spielte er die Hauptrolle. Der „Förderpreis Deutscher Film“ war die Belohnung und der Startschuss für eine erfolgreiche Kinokarriere gesetzt. Es folgten Rollen in so unterschiedlichen Werken wie „Goethe!“, „Wer wenn nicht wir“, „Wir wollten aufs Meer“ oder „Buddy“ an der Seite von Michael Bully Herbig. „Im Labyrinth des Schweigens“ heißt nun Fehlings neuer Kinofilm, bei dem er in der Rolle eines engagierten Anwalts im Westdeutschland der 50er Jahre gegen die Verbrecher der NS-Zeit Anklage erhebt.

engels: Man erfährt heute schon in der Schule viel über die NS-Zeit, fanden Sie es schwer, sich für den Film in eine Zeit des Nichtwissens hineinzuversetzen?

Alexander Fehling:Es ist ja kein Film über die NS-Zeit, sondern über die Zeit danach, das ist genau der Punkt. Ich selbst war mir dieser langen Strecke des Verschweigens nicht bewusst.

Auch wenn es kein Film über die NS-Zeit ist, so thematisiert er doch zumindest eben dieses Nichtwissen über alles, was in den Kriegsjahren vorgegangen war...

Ja, das ist richtig. Es ist erst einmal schwer zu begreifen, dass Auschwitz und andere Namen von Konzentrationslagern damals für viele Menschen und auch für die Figur, die ich spiele, andere Worte waren, als für mich heutzutage. Daran mussten wir uns immer wieder erinnern. Ich musste Stück für Stück bei der Vorbereitung und durch meine Recherchen Dinge verstehen, um in dieses Nichtwissen, oder man könnte auch sagen: diese Naivität, zu finden. Auf der anderen Seite ist das auch das, was ich als Schauspieler immer tue: Nicht mehr wissen als die Figur. Bis dahin, dass ich eine ungefähre Ahnung habe, wie eine Szene laufen wird, und auch das darf ich eigentlich nicht wissen (lacht). Das ist generell ein maßgeblicher Anteil der Arbeit, aber hier war es noch einmal außergewöhnlich, weil es so konkret war.

Helfen Ihnen die Ausstattung und die Kostüme, um die Ära wieder aufleben zu lassen?

Auch, es ist immer eine Kombination aus vielen verschiedenen Dingen. Um diese Zeit besser zu empfinden, hilft das natürlich. Das wird über mehrere Monate vorbereitet, und auch sehr genau, da haben die Ausstatter und Kostümbildner wirklich fantastische Arbeit geleistet. Der körperliche Umgang miteinander war in jener Zeit auch ein anderer. Das muss man erstmal finden, und dafür sind die Kostüme essenziell. Es hilft einem, sich in etwas zuhause zu fühlen, was einem eigentlich völlig fremd ist.

Auch die Art des Sprechens war damals eine ganz andere, alles war von einer generellen Spießigkeit geprägt. Haben Sie sich dafür im Vorfeld noch einmal Filme aus jener Zeit angeschaut?

Ja, ich habe mir dazu Filme und Bildbände angeschaut. Und irgendwann haben wir dann versucht, uns für eine gewisse Gradlinigkeit zu entscheiden, für eine Einfachheit, die sich dann auch im Körperlichen niederschlug.

Hatten Sie auch die Gelegenheit, sich Ratschläge und Tipps von Zeitzeugen einzuholen, da die Handlung ja, im Gegensatz zu „Goethe!“, noch nicht ganz so lange zurückliegt?

Ja, in Frankfurt gibt es das Fritz-Bauer-Institut, mit dem waren die Drehbuchautoren, die Produzenten und Regisseur Giulio Ricciarelli schon längere Zeit in Kontakt. Dort habe ich auch mit Historikern gesprochen. Einer der drei Staatsanwälte um Fritz Bauer herum, denen meine Filmfigur nachempfunden ist und denen der Film gewidmet ist, lebt noch: Gerhard Wiese. Wir sind uns mehrmals begegnet, und ich hatte vor dem Dreh die Chance, über diese Zeit mit ihm zu sprechen – er war damals in meinem jetzigen Alter. Das ist schon ein sehr komplexes Thema, zu dem ich mich im Vorfeld, auch durch die Lektüre von Büchern, sehr genau vorbereitet habe.

Fritz Bauer wird im Film vom großartigen Theatermimen Gert Voss gespielt, für den das unglücklicherweise die letzte Rolle war. Wie haben Sie ihn erlebt? Kannten Sie ihn zuvor durch seine Theaterrollen?

Ich habe ihn einmal auf der Bühne gesehen, und ansonsten kannte ich nur Aufzeichnungen. Ich bewundere diesen Mann, und es war etwas ganz Außergewöhnliches für mich, Gert Voss im Spiel erlebt zu haben. Wir haben uns auch in Pausen oft miteinander unterhalten, das werde ich mitnehmen für mein ganzes Leben. Ich habe ihn als liebenswerten, gütigen, offenen, neugierigen und warmherzigen Mann erlebt, der einer der außergewöhnlichsten Schauspieler überhaupt ist.

Auch in Ihrem Film „Sturm“ ging es schon um die Ahndung von Kriegsverbrechen. Wie haben Sie das Justizsystem durch diese beiden Projekte kennen gelernt?

Ich kann nicht sagen, dass ich durch die beiden Filme ein repräsentatives Bild vom Justizsystem hätte, das wäre anmaßend. Natürlich beschäftigt man sich dann spezifisch mit diesem Thema, aber nicht auf eine solch allumfassende Weise. Da gibt es viele andere Dinge, die wichtiger sind.

Wäre denn auch eine Karriere als Jurist denkbar gewesen oder hatten Sie von Anfang an den Wunsch, Schauspieler zu werden?

Schon mit zwölf Jahren habe ich nach der Schule angefangen, in Theatergruppen mitzuspielen. Dann ist dieser Wunsch ziemlich schnell entstanden und hat sich bei mir in all den Jahren nicht mehr verändert. Anwalt zu sein wäre hingegen nie ein Berufswunsch von mir gewesen, nein.

In „Im Labyrinth des Schweigens“ sind Sie der Kinostar neben eher weniger bekannten Charakterdarstellern, allerdings haben Sie auch schon in größeren Produktionen neben internationalen Topstars gespielt. Wie unterscheiden sich solche Projekte in Ihrer eigenen Wahrnehmung?

Schwer zu sagen. Ich nehme immer alles ernst und habe natürlich für „Im Labyrinth des Schweigens“ sehr viel Zeit verbracht, Monate in der Vorbereitung, und dann haben wir zweieinhalb Monate gedreht. Da geht man einen langen Weg mit einem großen Team. Das ist natürlich anders, wenn die Figur nicht so viel Platz hat in der Geschichte. Man verbringt nicht so viel Zeit damit, es ist eine andere Art der Herausforderung. Das ist manchmal nicht so leicht für einen Schauspieler, denn je mehr Weg die Figur hat, desto mehr Raum ist da, um sie zu erzählen. Und das macht die Sache manchmal leichter.

Gibt es Begegnungen mit internationalen Kollegen, die Sie besonders geprägt oder besonderen Eindruck hinterlassen haben?

Natürlich war die Arbeit mit Tarantino (bei „Inglourious Basterds“; die Red.) etwas ganz Besonderes, das wäre sie für jeden gewesen! Ich bin dankbar dafür, das hat unglaublichen Spaß gemacht. Aber auch die Arbeit mit Gert Voss und den anderen in „Im Labyrinth des Schweigens“, mit André Szymanski, Johann von Bülow und Friederike Becht, das sind alles so wunderbare Schauspieler. Wir haben eine gemeinsame Sprache gefunden, und Giulio hat uns alle zusammengehalten. Das hat bei mir einen besonderen Eindruck hinterlassen. (lacht)

Interview: Frank Brenner

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