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Grenzen des Wachstums
Foto: Gina Sanders / fotolia

Markt und Mensch sind träge

29. Oktober 2015

Kann eine Gesellschaft funktionieren, wenn ihr oberstes Ziel das Gemeinwohl ist? – THEMA 11/15 GEMEINWOHL

Können Sie sich vorstellen, in einer Gesellschaft zu leben, in der Einzelpersonen und Unternehmen nicht nach dem größtmöglichen Gewinn streben? In der Banken nur Geld in Projekte investieren, die gut für das soziale Leben und die Umwelt sind? Und in der das oberste Ziel ist, dass es allen Menschen so gut wie möglich geht?

Laut einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung wünschen sich das 88 Prozent der Deutschen. 75 Prozent der Befragten wären sogar bereit, dafür ein geringeres Wachstum ihres Wohlstands in Kauf zu nehmen. Warum also hat sich seit der Finanzkrise vor sieben Jahren so wenig an der Wirtschaftsordnung geändert?

Forscher geben darauf eine relativ klare Antwort: Markt und Mensch sind träge. Nicht umsonst kennt fast jeder den Spruch „Never touch a running system“. Doch wenn man genau hinsieht, hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan. Die größten ökologisch-sozialen Banken in Deutschland haben mittlerweile eine Bilanzsumme von mehr als 11,5 Milliarden Euro. Dazu zählen die Bank für Kirche und Diakonie (4,83 Milliarden Euro), die GLS-Bank (3,64 Milliarden Euro), die Umweltbank (2,59 Milliarden Euro), die Triodos Bank (0,24 Milliarden Euro in Deutschland) und die Ethikbank (0,21 Milliarden Euro). Im Vergleich zur Deutschen Bank mit einer Bilanzsumme von 1.708 Milliarden Euro ist das zwar nur eine kleine Summe. Doch die Anzahl derer, die ihr Geld nicht mehr in Kinderarbeit, Waffenhandel, Atomkraft oder Nahrungsmittelspekulation investieren wollen und entsprechende Konsequenzen ziehen, wächst.

Dass die genannten Banken sich nicht nur einen grünen Anstrich verpasst haben, sondern tatsächlich sozial und ökologisch handeln, machen sie durch Transparenz deutlich. Im Internet lassen sich detaillierte Informationen zur Zielsetzung und Organisationsstruktur der jeweiligen Banken finden. Ein entscheidender Punkt sind die Negativkriterien, in die auf keinen Fall investiert werden darf. Zusätzlich hat jede Bank bestimmte Schwerpunkte. Zwei Vorreiter sind hierbei hervorzuheben. Zum einen die GLS-Bank, die in ihrem Kundenmagazin jede Investition veröffentlicht und außerdem ihre Kunden mitbestimmen lässt, in welchem Bereich ihr Geld investiert werden soll. Zum zweiten die Triodos Bank, da sie als einzige sozial-ökologische Bank europaweit tätig ist und somit eine breiter gestreute Wirkung entfalten kann.

Kritiker mögen an dieser Stelle einwenden, dass sozial und ökologisch korrekte Anlagen nur in geringer Zahl vorhanden seien und somit als gesellschaftliches Konzept nicht funkionieren könnten. Durch aktives Handeln oder passives Füße-still-halten machen unsere Politiker regelmäßig deutlich: Wir können es uns wirtschaftlich nicht leisten, auf den Waffenhandel mit Diktaturen zu verzichten oder den Handel mit korrupten Regimen im Allgemeinen zu drosseln. Zwar ist die Würde des Menschen als unantastbar in unserem Grundgesetz verankert. Doch scheint dieses Recht nur zu gelten, solange keine wirtschaftlichen Erwägungen dagegen sprechen. Das Leben ist eben kein Wunschkonzert.

Aber was ist, wenn es doch funktionieren würde? Wenn neue ökonomische Ideen, wie sie das Team um den österreichischen Gemeinwohlökonom Christian Felber entwickelt hat, doch eine realistische Option wären? Mehr als 1.800 Unternehmen glauben daran. Sie können sich vorstellen, dass langfristig nicht mehr die Gewinne den Erfolg einer Firma und der Gesellschaft bestimmen werden, sondern ihre gemeinnützige Qualität. Eine Gemeinwohlbilanz würde aufzeigen, wie gut ein Unternehmen die Menschenrechte fördert und seiner ökologischen Verantwortung gerecht wird. Die Bürger könnten gezielt entsprechende Firmen unterstützen und der Staat würde steuerliche Vorteile gewähren. Die Gewinne würden im Unternehmen verbleiben und könnten dort für die Mitarbeiter verwendet werden, da kein Wachstumszwang bestünde.

Fakt ist: Wir Westeuropäer leben alle auf zu großem (ökologischen) Fuß. Fakt ist auch: Die momentan ankommenden Flüchtlinge sind nur die Spitze der sozialen Ungerechtigkeit, die seit Jahren und Jahrzehnten vom Dogma des ewigen Wachstums ausgelöst oder zumindest verstärkt werden. Und die Auswirkungen des Klimawandels haben noch gar nicht richtig begonnen. Insofern ist damit zu rechnen, dass sich das Wirtschaftssystem ändern muss. Die Frage ist lediglich: Wann? Und wie?

Radikale Änderungen machen den meisten Menschen Angst. Daher wäre die angenehmere Option vermutlich, peu à peu den eigenen Lebensstil an eine neue, gemeinwohlorientierte Gesellschaft anzupassen. Zum Beispiel indem man sein Geld zu einer sozial-ökologischen Bank trägt. Oder seinen ökologischen Fußabdruck verringert. Oder sich sozial engagiert. Es könnte einen Versuch wert sein.


Aktiv im Thema
www.test.de/thema/oekofonds
www.christian-felber.at
www.gepa.de

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zum Thema auch unter: choices.de/thema und trailer.de/thema

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Marina Engler

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