Es mehren sich weltweit die Berichte von sexuellen Übergriffen auf Frauen und Kinder in der katholischen Kirche. Trotz dieser Enthüllungen scheint sich nicht viel zu ändern. Nur unter massivem Druck werden Zahlen genannt und Verantwortliche nur selten zur Rechenschaft gezogen. Die Strukturen bleiben gleich, die Machtverhältnisse ebenso. Wäre es nicht an der Zeit, eine Frauenquote in der Kirche einzuführen oder sogar eine Päpstin an die Spitze zu stellen?
Laut einer, von der Deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegebenen, Studie wurden zwischen 1946 und 2014 allein in Deutschland insgesamt 3677 Minderjährige Opfer von 1670 Klerikern. Die Dunkelziffer wird weit höher liegen, da einige Kritiker*innen bemängeln, dass zahlreiche Informationen verheimlicht oder gar vernichtet worden seien. Nun gesellt sich hierzu noch der Missbrauch von Nonnen, aufgedeckt durch die Frauenzeitschrift „Donne Chiesa Mondo“ des Vatikans selbst. In der französischen Kongregation der Kontemplativen Schwestern vom heiligen Johannes sei es, so räumte Papst Franziskus ein, zu einer regelrechten „sexuellen Versklavung“ gekommen. Dass die gesamte Redaktion der Zeitung nun zurück getreten ist und Druck des neuen Chefredakteurs Andrea Monda dafür anführt, wirft nicht gerade ein gutes Licht auf die Kirche. Auch nicht, dass es nur eine interne Meldepflicht für Fälle sexuellen Missbrauchs geben soll. Ministerin Barley hat die Kirche bereits aufgefordert, bei Bekanntwerden sofort Strafanzeige zu stellen.
Bereits im 19. Jahrhundert soll es, dem Pfaffenspiegel nach, zu Vergewaltigungen Minderjähriger durch Priester gekommen sein. Wie weit verbreitet dies war, lässt sich schwer belegen. Aber es verwundert nicht. Seit Jahren werden immer mehr Stimmen laut, die die Abschaffung des Zölibats fordern. Auch die Zahlen der erwähnten Studie zeigen auf, dass Missbrauch eher durch „enthaltsam“ lebende Mitglieder der Kirche verübt wird, als etwa durch Verheiratete. Und es sind (fast) ausschließlich Männer – die wiederum von anderen Männern gedeckt werden.
Was würde geschehen, wenn die gesamte Kirchenstruktur reformiert, das Zölibat abgeschafft und die leitenden Posten von Frauen besetzt würden? Natürlich wird sich auf diverse Passagen der Bibel gestützt, die besagen sollen, dass Frauen nicht Priesterin und schon gar nicht Papst werden dürfen. Aber was ist daran eigentlich so schlimm? Unabhängig davon, ob man Religion an sich gutheißen kann, ist es weitläufig bekannt, dass Unternehmen mit Frauen in der Chefetage anders, meist sozialer, geführt werden. Und Jesus hatte nun wirklich nichts gegen Frauen, im Gegenteil. Immer mehr Funde belegen, dass viele Frauen unter seinen Jünger*innen gewesen sind. Seine engsten Vertrauten waren Frauen. Warum also nicht mal Jesus als Vorbild nehmen, Priesterinnen ins Amt holen und in zehn bis zwanzig Jahren endlich eine Päpstin wählen? Auch wenn es nur eine Legende gewesen sein mag, so kann man Päpstin Johanna, die gegen Ende des 11. Jahrhunderts im Amt gewesen sein soll, doch gut als Vorbild nehmen. Natürlich streiten sich auch hier die (meist männlichen) Gelehrten. Sie soll sich als Mann ausgegeben haben, um auf den Papsthocker zu gelangen. Die Welt wäre aber bestimmt nicht untergegangen, hätte man sie dort sitzen lassen.
Papst Franziska - Lesen Sie weitere Artikel
zum Thema auch unter: trailer-ruhr.de/thema und choices.de/thema
Aktiv im Thema
frauenbund.de | Frauenbewegungen in der Kirche sind nicht neu. Der KDFB wurde 1903 in Köln gegründet. 100 Jahre später formulierte er Forderungen und Leitbild im „Kölner Anstoß“
mariazweipunktnull.de | Die Initiative von Frauen setzt sich für die Abschaffung männerbündischer Machtstrukturen in der römisch-katholischen Kirche ein.
kfd-bundesverband.de | Der größte Frauenverband in der katholischen Kirche.
Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
Schreiben Sie uns unter meinung@engels-kultur.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Hier und Jetzt
Intro - Papst Franziska
Zölibat oder Ejakulat
Die Leiden des heiligen Johannes
„Keine Rücksicht auf die Ewiggestrigen“
Christine Mayr-Lumetzberger über katholische Priesterinnen
Das Vertrauen zurückgewinnen
Missbrauchsprävention in St. Laurentius
Die Macht der Filme
Millionen schockiert über Missbrauch – Europa-Vorbild: Polen
Das Spiel mit der Metapher
Teil 1: Leitartikel – Was uns Brettspiele übers Leben verraten
Es sind bloß Spiele
Teil 2: Leitartikel – Videospiele können überwältigen. Wir sind ihnen aber nicht ausgeliefert.
Werben fürs Sterben
Teil 3: Leitartikel – Zum Deal zwischen Borussia Dortmund und Rheinmetall
Paradigmenwechsel oder Papiertiger?
Teil 1: Leitartikel – Das EU-Lieferkettengesetz macht vieles gut. Zweifel bleiben.
Demokratischer Bettvorleger
Teil 2: Leitartikel – Warum das EU-Parlament kaum etwas zu sagen hat
Europäische Verheißung
Teil 3: Leitartikel – Auf der Suche nach Europa in Georgien
Stimmen des Untergangs
Teil 1: Leitartikel – Allen internationalen Vereinbarungen zum Trotz: Unsere Lebensweise vernichtet Lebensgrundlagen
Friede den Ozeanen
Teil 2: Leitartikel – Meeresschutz vor dem Durchbruch?
Vom Mythos zur Mülldeponie
Teil 3: Leitartikel – Wie der Mensch das Meer unterwarf
Maßgeschneiderte Hilfe
Teil 1: Leitartikel – Gegen häusliche Gewalt braucht es mehr als politische Programme
Zu Staatsfeinden erklärt
Teil 2: Leitartikel – Der Streit über Jugendgewalt ist rassistisch aufgeladen
Der andere Grusel
Teil 3: Leitartikel – Von der rätselhaften Faszination an True Crime
Sehr alte Freunde
Teil 1: Leitartikel – Warum der Hund zum Menschen gehört
Die Masse macht’s nicht mehr
Teil 2: Leitartikel – Tierhaltung zwischen Interessen und Idealen
Wildern oder auswildern
Teil 3: Leitartikel – Der Mensch und das Wildtier
Pippis Leserinnen
Teil 1: Leitartikel – Zum Gerangel um moderne Lebensgemeinschaften
Durch dick und dünn
Teil 2: Leitartikel – Warum zum guten Leben gute Freunde gehören
Von leisen Küssen zu lauten Fehltritten
Teil 3: Leitartikel – Offene Beziehungen: Freiheit oder Flucht vor der Monogamie?
Über irrelevante Systemrelevante
Teil 1: Leitartikel – Wie Politik und Gesellschaft der Gerechtigkeitsfrage ausweichen
Sinnvolle Zeiten
Teil 2: Leitartikel – Wie Arbeit das Leben bereichern kann