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In bester Erinnerung

26. Januar 2012

Wortwahl 02/12

Ich erinnere mich dumpf an eine leergefegte Autobahn, über die ich mit meinen kurzen Beinchen stapfen musste, statt, wie sonst, die Landschaft einfach an mir vorbeifliegen zu lassen. Ich erinnere mich an eine alte Reiseschreibmaschine, in die ich im Keller wahllos Sätze hackte – nicht ahnend, dass sie fürderhin einem V20, dann einem C64 und schließlich einem Amiga würde weichen müssen. Ich erinnere mich an meinen Großvater, der sein lichtes Haupt mit der gleichen Kapitänsmütze krönte wie der damalige Bundeskanzler, obwohl die Waterkant Hunderte von Kilometern entfernt war. Sein orangefarbener Volvo hatte allerdings auch etwas von einem Schiff. „Ich erinnere mich“ (Walde+Graf) … Mit der immer gleichen Eröffnung taucht Joe Brainard in unterschiedlichste Situationen seiner Vergangenheit, zieht die minimalistischen Versatzstücke zurück ins Bewusstsein, wo sie sich zu einem fragmentarischen Puzzle zusammensetzen, das die Person erahnen lässt, die dieses Leben gelebt hat. Was zu Beginn fast nervt, entwickelt einen eigentümlichen Sog, bei dem man wie dereinst bei der Predigt – ich erinnere mich – immer wieder abdriftet in die eigene Kindheit und Jugend.

Ich erinnere mich an hanebüchene Action-Movies wie „Karate Kid“, die jeden Pennäler in einen wahren Heldenwahn trieben. Und von der ersten großen Überliebe träumen ließen. Ganz so wie Perry Stormaire, der sich auf eine rassige Mittelmeerschönheit als Austauschschülerin freut und dann mit einer verhuschten Litauerin vorlieb nehmen muss – die sich schlagartig in einen hocherotischen Vamp von Serienkillerin verwandelt. Sollte die Jugend heute noch genauso ticken, dürfte Joe Schreibers Tour-de-force (-farce) „Bye Bye, Crazy Chick“ (Aufbau) gute Erfolgsaussichten haben; zumindest als Film. / Unsereins hingegen sehnt in seiner rettungslosen Retroromantik der cineastischen Adaption von Elmore Leonards „Dschibuti“ (Eichborn) entgegen. Wahlweise mit Selma Hayek oder Gemma Arterton in der Hauptrolle der unerschütterlich coolen, überaus lasziven Dokumentarfilmerin Dara Barr, die mit Hilfe ihres ergreisten, aber immer noch rüstigen Kameramannes Xavier LeBo (S.L. Jackson: grauer Bart, leichte Plauze) in den Filz Somalias eintaucht: edelmütige Piraten, smarte Scheichsöhne, skurrile Millonarios und eiskalte Terroristen. Als Roman ein wenig primitiv-verklärend, als gepushtes Action-Movie vermutlich eine Augenweide. / Weit subversiver kommen da Bodo Kirchhoffs zotig versponnene „Erinnerungen an meinen Porsche“ (dtv) rüber; wobei Porsche das rasante Sportgerät zwischen den Beinen bezeichnet, das einem eher fleisches-, denn wollüstigen Anfall der damaligen Beziehung des Protagonisten anheimgefallen ist. Kein Wunder, dass dem einst omnipotenten Jung-Hedgefonds-Manager daraufhin die Beine wegknicken und er nicht nur tatenlos zusehen muss, wie die Finanzwelt zusammenstürzt, sondern sich auch noch die Frauen seines Lebens über seine geistigen wie leiblichen Überreste hermachen.

Ich erinnere mich aber auch an meine erste englischsprachige Lektüre, die mir meine bildungsbewusste Ma zu Schulzeiten aufs Auge drückte: „The Secret Diary of Adrian Mole Aged 13 ¾“. Ein wider Erwarten garstig amüsantes Lesevergnügen voll berstenden britischen Humors, dass mich meine eigene Pubertät plötzlich viel beschwingter angehen ließ. Entsprechend groß war die Freude, 26 Jahre später in meinem Büro unverhofft meinen alten Leidensgefährten wiederzutreffen. Hey, Aidie, alter Kumpel! Heiliger Bimbam, hat dir das Leben aber mitgespielt!? Ein unehelicher Sohn im Taliban-Einsatz. Eine 5jährige Blage in Komikkostümen. Eine Gattin, die aus allen Nähten platzt. Die Existenz ein Saustall mit Prostata. Wenn ich mir Sue Townsends Tragikomödie der „Tagebücher des Adrian Mole. Die schweren Jahre nach 39“ (Tiamat) zu Gemüte führe, kommen sie mir automatisch wieder, die Tränen vor Lachen. Vereint in der Liebe zur Literatur reichen sich Aidie und ich die Hand; und in dem daraus resultierenden Verdienst. But: Nevermind!

LARS ALBAT

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