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Selbst ist die Frau: Die Heldinnen der äthiopischen Trickserie „Tibeb Girls“ brauchen keine Supermänner
Foto: Bruktawit Tigabu / whizkidsworkshop.com

Amazone und Couchkartoffel

22. Februar 2018

Computerspiele können das Leben bereichern. Aber sie sind nicht das Leben

Warum spielen Menschen Computerspiele? Komische Frage, oder? Warum sollen sie denn auch nicht spielen, warum sich nicht vergessen dürfen in fremden Identitäten, warum sich nicht verlieren in abenteuerlichen Phantasiewelten? Warum sollten Frauen in dieser Hinsicht anders agieren als Männer?

Das Spiel an sich, egal ob online oder in der realen Welt, lebt von der Idee des Ausprobierens. Ich kann einfach ich selbst sein, kann tun oder auch lassen, was ich will. Ich kann Dinge versuchen, die sonst verboten sind, kann ein Outfit tragen, für das ich sonst ausgelacht würde. Ich kann Spiele spielen, die meine Kinder albern finden, kann das alles tun, einfach nur für mich selbst und um meiner selbst willen. Und sogar im Falle eines Mißerfolgs heißt es beim Gaming meistens: „Schade, aber was soll‘s! Rufe den letzten gespeicherten Spielstand auf und versuch’s noch mal. Viel Spaß“.

Computerspiele bieten virtuelle Freiheiten, an die wir im realen Leben kaum zu denken wagen. In der Abenteuerquest kann ich die kampferprobte, durchgestylte Amazone sein und im richtigen Leben der Couchpotatoe mit Hang zur Fettleibigkeit, der tagsüber ein unglückliches Dasein als Sachbearbeiter im Großraumbüro fristet. Attraktivität, die sonst bestenfalls mit enormem Aufwand vor Kleiderschrank und Schminkspiegel zu haben wäre – vom lästigen Sport und kulinarischer Mäßigung mal ganz abgesehen – ist virtuell mit einem Mausklick für jeden erreichbar. Weder mein Chef noch meine Frau oder mein Mann müssen wissen, wie ich durch den Dschungel oder die Wüste laufe, andere Fantasywesen rette oder neue Sterne besiedele. Nirgendwo kann ich meinen Spaß an derartiger Freizeitgestaltung besser ausleben als beim Zocken am Computer.

Stehen für Männer bei der Auswahl ihrer Lieblingsspiele Konkurrenz und Wettbewerb im Vordergrund, orientieren sich Frauen eher daran, wie interessant die Geschichte erzählt wird. Für Männer wie Frauen  gilt aber, dass sie Aufgaben erledigen und Missionen erfüllen wollen; so kommt das Belohnungszentrum im Gehirn in die Gänge.

Die Existenzberechtigung, die im Spiel erworben wird, muß natürlich immer wieder aufs Neue verteidigt werden. Die Konkurrenz schläft nicht, ich muß spielen, um nicht zu verlieren. Auch Computerspiele kann man trainieren, selbst wenn es nur um die Reaktionsfähigkeit von einzelnen Fingern geht.

Der Vorteil der körperlosen Kommunikation, den der PC bietet, wird zum gefährlichen Gift für Beziehungen virtueller oder auch realer Art. Bei Onlinespielen sehe und höre ich meine Gegner oder Gegnerinnen respektive Mitspielenden nicht, ich habe zunächst einmal keinerlei Informationen über ihr Alter, Aussehen oder Geschlecht. Wenn dann doch jemand als reale Person greifbar wird, wird der- oder diejenige damit auch angreifbar. Als die Medienkritikerin und Bloggerin Anita Sarkeesian im Jahr 2012 begann, in einem Forschungsprojekt die vorgestrigen Geschlechterklischees in Computerspielen aufzudecken und interessantere Rollenmodelle einforderte, rührte sie damit eben auch an der heilen Welt derjenigen (männlichen) Spieler, die sich in den gängigen Spielen in ihrem chauvinistischen Weltbild bestätigt fühlten. Wenn Frauen in der realen Welt schon Bundeskanzlerin, Physikerin oder Ingenieurin werden und Männer quasi überflüssig machen, dann sollen sie in der virtuellen Welt etwa auch noch Männern den Rang ablaufen? Das geht nun wirklich nicht. Eigenartig, sind Wettbewerb und Konkurrenz für Männer doch so wichtig – wie es heißt. Die virtuelle Realität bietet nun nicht nur alle Freiheiten in der Gestaltung des virtuellen Alter Ego, sondern auch alle Freiheiten der Netz-Anonymität. Jeder Troll, der seine kampferprobte Amazone durch Sarkeesians kritische Fragen gefährdet sah, konnte sich am globalen Shitstorm beteiligen, ohne, für Morddrohungen gar, Rechenschaft ablegen zu müssen. Die Flut von Beschimpfungen zeigt, wie groß die Angst war, dieses Paradies männlicher Allmachtsphantasien zu verlieren.

Warum ist es denn so wichtig, über andere zu triumphieren und nicht nur ein Gewinner, sondern auch noch ein schlechter Gewinner zu sein? Einer, der auf dem Unvermögen oder Pech der anderen herumreitet; einer, der sich mit seinen Siegen brüstet, als hätte er die Welt gerettet? Man kann auch einfach gewinnen, sich freuen und dann zur nächsten Mission weiterziehen. Die Aufgaben erledigen, ob virtuell oder reel. Ganz einfach.


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