Das enge Fisteln der gestopften Trompete prägte die Klangästhetik zahlloser Erben der Miles-Ära, aufgemischt mit Rap, mit elektronischen Sounds oder mit nordisch-sphärischer Schwermut. Miles Davis schien in dieser Phase die Ausdrucksmöglichkeiten der Trompete in wenigen gequetschten Tönen gebündelt zu haben – die in der Klassik meist strahlende Trompete hatte zu weinen begonnen.
Der junge Trompeter Julian Wasserfuhr hatte sein Erweckungserlebnis, als ihm in jungen Jahren die Familie eine CD mit der Musik von Chet Baker schenkte. Kombiniert mit seiner Vorliebe für den als reaktionär verschrienen Wynton Marsalis, Amerikas „first class“-Trompeter, entstand ein sehr eigenständiges Fabelwesen: Julian Wasserfuhr, Trompeter aus Wipperfürth, genauer gesagt Hückeswagen, ein bergischer Junge.
Gemeinsam mit seinem älteren Bruder Roman, der in Köln Jazzklavier studiert hat, macht Julian seit rund zehn Jahren mit aufwändigen CD-Produktionen als Young German Jazzer von sich hören, u.a. mit gestandenen Jazzgrößen wie Wolfgang Haffner, Lars Danielsson oder Nils Landgren, dem Mann mit der roten Posaune. Die Brüder haben auch schon früh internationale Erfahrungen gesammelt, so bei einem Stipendium am Berklee College, der amerikanischen Talentschmiede für Jazzmusiker. Julian, gerade mal 25 Jahre alt, blickt über ein kleines Jazzerleben zurück, das durchaus als erfolgreich bewertet werden darf. Gerade wurde den Brüdern eine goldene Schallplatte überreicht, die man im Jazz ab 10.000 verkauften Tonträgern erhält. Trotzdem funktioniert dieses freie Leben als kreative Musiker, die nur für ihre eigene Musik aktiv werden, nur bedingt. Beide Brothers strecken ihre Beine noch unter den heimischen Küchentisch; im Elternhaus in Hückeswagen haben sie schon vor Jahren ein eigenes Studio eingerichtet. Mit elterlichem Flankenschutz, den die musikbegeisterten Wasserfuhrs gerne gewähren, sind die beiden Söhne autark.
Um dies endgültig zu siegeln und überhaupt niemanden mehr nach irgendetwas fragen zu müssen, haben sie ihre aktuelle, die fünfte CD, selbständig produziert, mit den Musikern, mit denen sie seit Jahren auch ihre Live-Gigs bestreiten. Und sie bevorzugen stilistisch einen melodiebetonten modernen Mainstream, oder wie Roman entwarnt: „Da muss niemand weglaufen!“ Markantester Dauerbrenner der CD ist natürlich der samtweiche, niemals attackierende Sound des Trompeters Julian. Ausdrucksstark ist dieser Ton, der immer lieber erzählen möchte als in virtuose Variationen auszubrechen. Doch sicher ist der Hörer nie, denn der junge Mann hat kräftig geübt. Da platzt manchmal die Phrase in ein wunderbar verschlungenes, raketenbetriebenes Marsalis-Ornament auf; das tut nicht weh, sondern erfreut die Ohren der Bläserfreunde.
Für die beiden Brüder stellt ihre aktuelle handgemachte CD ihre persönliche Auslese dar, mit Musik, die sich nicht in Esoterik-Kreisen verkapseln will, sondern offen auf neugierige Hörer zugeht. Das war bereits in Mozarts Tagen ein Erfolgsrezept für die Güte und Haltbarkeit von Musik: Sie besaß Leichtigkeit und Tiefe, war kantabel wie raffiniert!
CD „Running“ von Julian & Roman Wasserfuhr
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