Als Mittzwanziger stand Lee Ritenour auf der Festivalbühne von Montreux, er stellte in rasenden Phrasen seine legendären „Captain Fingers“ vor. Ein blonder Wuschelkopf, den Blick forsch ins Publikum gerichtet, die Zahnreihen zu Dauerblinkern umfunktioniert, eine Powerfigur mit Weltkarriere: Lee Ritenour war Ende der Siebziger eine Kultfigur auf der Gitarre, er besaß eine klassische Ausbildung, interessierte sich aber als Gitarrist für die komplexere Harmonik und Rhythmik des Jazz. In dieser Branche brachte er technische Fertigkeiten mit, die ihresgleichen suchten. Mit 22 Jahren engagierte ihn bereits Herbie Hancock, der aktuell einen Grammy für sein Lebenswerk erhält, Lee spielte für Barbara Streisand, Paul Simon, Steve Wonder, Quincy Jones, Steely Dan oder Pink Floyd, mit Dave Crusin erledigte Lee nebenbei eine Karriere als Filmkomponist. Dazu kamen rund 20 eigene Platten, auf rund zweitausend Alben findet sich sein Name als Mitspieler. Jetzt gastiert Ritenour gleich siebenmal in Deutschland, darunter auch in Konzerthallen in Bonn und Bochum.
Auf seinem aktuellen Album „A Twist of Rit“ setzt er sich mit dem eigenen Œuvre auseinander (darunter Hits wie „Wild Rice“, „Fatback“, „Bullet Train“ und „A Little Bit of This and a Little Bit of That“) und geht es aus einer frischen Perspektive neu an: Wesentlichster Fortschritt ist wohl Lees eigener Sohn Wesley, der jetzt am Schlagzeug sitzt. Aber auch der in Köln geborene Keyboarder Jesse Miliner kann sich in allen von Ritenour angespielten Stilistiken sicher bewegen. Der Pianist hat sich auch wissenschaftlich mit dem Jazz befasst und sogar promoviert. Mit dem langjährigen Weggefährten neben den zwei Newcomern baut Ritenour auf seinen Stammbassisten Melvin Lee Davis, ein Mann mit einem gewaltigen Sechssaiter im Anschlag, mit einem Griffbrett wie eine Landebahn für Modellflieger.
Der Bandchef liefert auch aktuell sensationelle Improvisationen, einmalig und unverwechselbar sind seine sahnig gestrichenen Oktavgänge. Im Konzert präsentiert er gern als Gegner auf den Saiten den mächtigen Melvin Lee Davis. Melvin legt dann vor, Lee zieht nach, Lee legt vor, Melvin zieht nach, immer höher, immer tiefer, immer schneller, immer verrückter – ein Battle, der es in sich hat. Und die dicken E-Bass-Saiten flattern dann unter den Klauen des riesigen Bassisten.
Lee Ritenour zählt zu den Musikern, die gern in die Schublade „Smooth-Jazz“ abgelegt werden. Viele Jazzer wechseln schon mal in seichtes Fahrwasser, wenn es da etwas zu verdienen gibt. Aber dadurch verlieren sie ja nicht die Möglichkeit, zurück zur Kür zu finden. Ritenour lässt sich live nie lumpen – besonders nicht an so intimen Spielstätten wie in Bonn und Bochum.
Di 16.2. | Bonn, Harmonie | 0228 61 40 42
Mi 17.2. | Bochum, Christuskirche | 0234 96 30 20
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