Chris Potter, Jahrgang 1971, ist nicht der Startyp mit Goldringen und exzentrischer Kopfbedeckung, der einem breiten Publikum bekannt werden will. Für alle, die sich für Jazz interessieren, macht ihn dies noch interessanter, weil es bei ihm immer um die Musik geht. Er war Gast der WDR Big Band an einem Abend, als Solisten präsentiert wurden, die rein handwerklich auf dem hohen Niveau des Jazzorchesters mitspielen konnten – was nicht immer der Fall ist. Chris Potter trat als ein zeitgenössischer Protagonist in der Kunst des Saxophonspiels auf.
Mit heterogenen Jazzmusikern wie Dave Holland, Dave Douglas oder Jim Hall gastierte der amerikanische Bläser in der Domstadt. Als Gegenpol zum Star-Vibraphonisten Mike Mainieri agierte der in Deutschland zunächst bei Miles Davis-Drummer Al Foster aufgefallene Saxophonist mit quirliger Virtuosität und expressivem Spiel. Potter schert sich nicht mehr um Sound oder Melodie. Aber er renoviert auch manch alten Standard. Eine Riesenkadenz über Ellingtons „In a Sentimental Mood“ blieb im Gedächtnis und wahrte nur noch die Form – er zerfetzte die Themen, traf aber genau die Stimmung. Und in Bernsteins „Somewhere“ durfte warmer sonorer Tenorklang strömen.
Jetzt hat der stets so ruhig und introvertiert wirkende Chris Potter in seiner Musik wieder einen Haken geschlagen. Es sind fusionartige Klänge mit Keyboards und knackigem Groove, mit fetzigen Arrangements bzw. Kompositionen, mit Unisono-Fahrten, aber bar jeder Sterilität von technischer Unterkühlung, die den Fusion-Stücken häufig das Etikett „Fahrstuhlmusik“ aufgepresst hat.
Es wird also etwas lauter im King Georg werden, wenn Chris Potter, James Francies und Eric Harland ihre Sichtweise auf aktuelle Musik zum Klingen bringen.
In einem Interview verriet Potter einmal die Leitlinie für sein Leben: niemals stehenbleiben. An jedem Tag kann der Künstler Neues erfahren und auch seinen technischen Horizont erweitern – daraus entsteht zeitgenössische, lebensnahe Musik. Im Lockdown entstand so ein Soloalbum, auf dem Potter mehr als ein Dutzend Instrumente ganz allein bediente. So kann der Jazzfreund auch in stillen Tagen einen immer erneuerten Chris Potter erleben: Stets ein freundlich lächelnder alter Bekannter und gleichzeitig musikalisch ein unbekanntes Wesen.
Chris Potter Trio | 19. - 20.10. 19:30 Uhr | King Georg | www.kinggeorg.de
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