Es gibt Stücke, die so visionär und unbequem sind, dass sie einfach nicht in ein Opernhaus passen wollen. Wer mit Räumen und wandernden Klängen, dezentralem Publikum und Orchesterpositionen abseits des Grabens spielt, der sprengt die meisten traditionellen Bühnen. Ein solches Werk schrieb Bernd Alois Zimmermann mit seiner Oper „Die Soldaten“, die das Gürzenich-Orchester und die Oper Köln 1965 in Köln uraufführten. Generalmusikdirektor François-Xavier Roth möchte jetzt die Oper für den Konzertsaal kompatibel machen, reisefertig sozusagen: Nach einer Aufführung in Köln geht das Werk zur Elbphilharmonie nach Hamburg und dann zur Philharmonie de Paris.
Der Dirigent leitete die spektakuläre Neuproduktion zum 100. Geburtstag des Komponisten im Jahre 2018. Damals wurde die Ausnahmesituation der Interimsstation in den Hallen im Staatenhaus dazu genutzt, das Stück vom Raum zu befreien. Eine Arena mit umlaufenden Stegen wurde gebaut, in der Mitte hockte das Publikum auf Drehstühlen, um die aus allen Richtungen einbrechenden Klang- und Spielerlebnisse verfolgen zu können – ein echter Kracher.
Zimmermann verarbeitet in „Die Soldaten“ seine Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg und die drohenden Gefahren atomarer Aufrüstung – entsprechend der Größe des Themas plante er die Besetzung: 120 Musiker, ein Bataillon an Solisten, ein Chor und eine separate Jazzband. Zeitlich verortet Bernd Aloys Zimmermann die Oper in der Zeitlosigkeit, laut seinem Libretto spielt sie „gestern, heute und morgen“. Im Stück entstehen dadurch Simultanszenen, die szenisch nur mit multimedialer Technik realisierbar sind. Für diese halbszenisch-konzertante Inszenierung verbürgt sich der spanische Skandal-Regisseur Calixto Bieito, er spricht aber eher von einer „Installation“ im Konzertsaal. Die seltenen Aufführungen der Oper versprechen stets abenteuerliche Überwindung der lange angenommenen Unaufführbarkeit des Stücks, eine besonders vom GMD vorangetriebene Verdichtung dieses Monsters auf eine Konzertbühne verspricht ein Wunder.
Eigentlich war das Konzert für 2022 geplant, fiel aber der Pandemie zum Opfer – seit diesen Tagen laufen die Vorbereitungen, begleitet von einer aufwendigen Podcast- und Video-Dokumentation. Auch das spricht für die Einzigartigkeit dieser Unternehmung.
Die Soldaten – Sonderkonzert | Do 18.1. 20 Uhr | Kölner Philharmonie | 0221 280 280
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