Das Internationale Frauenfilmfestival wird abwechselnd in Dortmund und Köln ausgetragen. Bei der Kölner Ausgabe steht in diesem Jahr wieder der internationale Debüt-Spielfilmwettbewerb und der nationale Wettbewerb für Bildgestalterinnen, der sich an Hochschulabsolventinnen richtet, im Zentrum. choices, Stifter des Publikumspreises, sprach mit der künstlerischen Leiterin Silke J. Räbiger.
engels: Frau Räbiger, thematische Festivals blicken auf Spartenbereiche des Filmbetriebs. Wenn man sich vor allem in Deutschland umblickt, sind an den Hochschulen immer mehr Regisseurinnen zu finden. Sind Frauen im Filmbetrieb überhaupt noch so marginalisiert?
Silke J. Räbiger: Bei den Debüts hat sich mit Sicherheit etwas verändert. 50 Prozent der Hochschulabsolventinnen sind Frauen. Aber wo bleiben die letztendlich? Die Frage, wie etabliere ich mich letztendlich im Filmgeschäft, gilt zwar für Männer wie für Frauen. Aber ich muss feststellen, dass es in Deutschland sehr wenige Frauen gibt, die über Jahre hinweg Langfilme produzieren. Man müsste erforschen, welche Frauen wie viel Fördergelder beantragen und welche Frauen mit ihren Projekten überhaupt in die Abstimmung der Gremien kommen. Und wie sind die Gremien besetzt – haben die überhaupt den Fokus darauf, dass man Frauen vielleicht auch mal den Vortritt lassen sollte? Bei der Filmförderungsanstalt (FFA) ist es in der Tat so, dass seltener Projekte von Frauen Gelder bekommen, und in der Regel bekommen sie dann auch weniger Geld. Da muss man fragen, warum ist das so? Wir können aber nicht automatisch sagen, Frauen werden per se benachteiligt. Wir müssen schon die Frage stellen, ob Frauen weniger beantragen. Oder ob es die Produzenten den Frauen nicht zutrauen, ein großes Projekt zu stemmen. Oder ist es so, dass Frauen eher als Männer unabhängig arbeiten wollen? Wir tappen da vollkommen im Nebel, aber da tut sich gerade etwas. Schweden ist da beispielhaft: Dort werden von 2013 bis 2015 fünfzig Prozent der Filmförderung an Projekte von Frauen vergeben. Zugleich werden die Gremien geschult und die Frauen selbst in der Frage der Antragstellung. Die Quote allein wird uns auch hier nicht retten, man muss flankierende Maßnahmen einbeziehen.
Wie gut funktioniert der wechselnde Austragungsort des Festivals beim Publikum und branchenintern?
Mit Letzerem haben wir gute Erfahrungen gemacht: Man ist ununterbrochen mit Weltvertrieben, Produzenten oder Verleihern im Gespräch. Da gibt es eine Konstante. Beim Publikum ist das sicherlich schwieriger. Für die, die extra anreisen, ist es egal, ob sie nach Köln oder Dortmund fahren. Aber für diejenigen vor Ort ist es immer schwierig, wenn das Festival in einem Jahr nicht da ist. Wir haben ja eine Zwischenlösung: In diesem Jahr wird wieder ein Auswahlprogramm in Dortmund stattfinden und wir haben das gesamte Kinder- und Schulfilmprogramm in Köln und Dortmund. Diese Regelmäßigkeit ist sicher eine Erleichterung – das ist wichtig. Optimal ist das aber nicht.
Der Fokus liegt in diesem Jahr auf der Türkei. Wie schlagen sich die politischen Verhältnisse und Unruhen des letzten Jahres in den Arbeiten nieder?
Der Ausgangspunkt war natürlich die Unruhen im Gezi-Park, aber wir zeigen auch einige ältere Filme und da deutet sich als Schwerpunkt dieser wahnwitzige Bauboom in Istanbul schon an. Das ist ja eine konsequente Umgestaltung der Stadt, in der auch ganze Stadtviertel niedergerissen werden. Bereits in den älteren Filmen wird deutlich, welche Entwicklung Istanbul städtebaulich und politisch nimmt. Wir werden auch Debatten dazu haben und haben eine junge Fotografin für eine Ausstellung eingeladen, die die Veränderungen festgehalten hat. Daneben wird es eine Diskussion geben über das Verhältnis Deutschland-Türkei und die Frage, was eigentlich Heimat ist.
Ein Thema des Festivals ist auch Gewalt gegen Frauen. Sie blicken aber nicht auf die Filme, in denen Gewalt gegen Frauen vorkommt, sondern wo sie als solches thematisiert wird ...
Da ist die entscheidende Frage: Wie stelle ich die Frauen dar? Vor diesem Problem stehen viele Filmemacherinnen, wenn sie so ein Thema haben. Es ist sehr schwierig, Gewalt gegen Frauen zu zeigen, ohne sie wieder zu Opfern zu machen. Es ist ja nicht so, dass keine Gewalt gezeigt werden soll. Aber nicht als Effekthascherei, sondern dann, wenn es notwendig ist und den Film weiterbringt.
Die Krise des Kinos wird neben der Digitalisierung vor allem der Überalterung des Publikums zugeschrieben. Mit ihren Programmen für Schulklassen und Workshops kümmern Sie sich um den cinephilen Nachwuchs ...
Wir finden, das ist selbstverständlich! Seit jeher gehören Kinder- und Jugendfilme zu einem ausgewachsenen Festival dazu. Da geht es natürlich um den Nachwuchs und um Filmbildung. Wenn man ein so engagiertes Festival macht, dann ist man natürlich auch beseelt davon, dass Kinder mal etwas anderes zu sehen bekommen als das, was ihnen normal im Fernsehen oder Kino geboten wird. Das ist so spannend, mit denen danach zu diskutieren. Daneben haben wir auch Workshops, in denen mit Kindern und Jugendliche Filme entstehen, die wir dann auch auf dem Festival zeigen.
IFFF – Internationales Frauenfilmfestival Dortmund / Köln | Di 8.4.-So 13.4. | Köln, diverse Orte | www.frauenfilmfestival.eu
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