Das berühmte „verflixte siebte Jahr“ spielt für das als „Jazz-Probier-Marathon“ bezeichnete erste Jazzfestival im Kalenderjahr keine Rolle: alles in trockenen Tüchern. „Winterjazz“ wurde einst von der in Köln lebenden Saxophonistin Angelika Niescier ins Leben gerufen, inspiriert von einem Festival in New York. Das starke Aktionspotential führte damals bei der Premiere zu starker Überfüllung. Heute regeln Türsteher und festgelegte Lauf- bzw. Drängelrouten einen relativ chaosfreien Konzertbesuch. Und die Saxophonistin und Leiterin ist stolz auf den Andrang. „Hier geht es schließlich um Jazz. Und da geht es zunächst mal darum, Zuhörer zu generieren!“ Außerdem, so Niescier, ist dieses Festival komplett gefördert. Es gibt zwar nur eine „leise“ Gage, aber es gibt Geld, und das ohne Hut. Es ist eine Visitenkarte der Kölner Jazzszene am Beginn des Jahres, abgegeben in einer der wichtigsten Spielstätten, dem Stadtgarten. „Keiner der Besucher kann alle Konzerte erleben, darum dreht es sich nicht“, sagt die Organisatorin, „aber die Atmosphäre aufsaugen, wenn so viele Musiker zusammenkommen und auf fünf Bühnen parallel spielen, das ist ein Erlebnis.“
In diesem Jahr sind es 50 MusikerInnen, die an einem Abend in 18 Konzerten einen Blitzdurchlauf durch die vielfältige Lebendigkeit der Kölner Jazzszene abliefern. Das ist natürlich ein organisatorischer Aufwand, den die Gründerin mittlerweile an das Team vom Stadtgarten weitgehend delegieren konnte. Dafür ist sie unendlich dankbar. „Das Sammeln der Bands ist einfach“, meint die Organisatorin, „aber die Organisation frisst einen auf“. Das hat sich jetzt alles etwas entspannt. Denn auch der Stadtgarten, Hauptspielort mit drei Bühnen, hat sich ja als „Europäisches Zentrum für Jazz und aktuelle Musik“ zu einer intensiv geförderten Institution gemausert. Die verschiedenen Spielorte bestimmen übrigens die Laufrichtung des Programms, mal aufwendig konzertant, mal intim clubmäßig.
Und auch in den Generationen wird breit gestreut. So trifft der junge Pianist Tobias Weindorf auf das legendäre Senioren-Duo Gunnar Plümer und Peter Weiss. Ganz jung prahlen mit fetten Beats und schillernden Sounds die drei Musiker von Wyst, ein Techno-Jazz-Trio. Die französische Saxophonistin Christine Corvisier, eine Wahlkölnerin, präsentiert ihre Band wie der Sänger Nathan Bontrager, der seine Kunst u.a. – hier geht es schließlich um Jazz – aus uruguayischem Folk bildet.
Muskelspiele auf den Fellen und schwarzen Flügelschlag auf wolkentiefer Vibration – hier spricht keine Domina, sondern Zuzana Leharová über ihr Quartett. Und sie pflegt religiöse Statements zu ihrer musikalischen Entwicklung: „Am Anfang war die Geige!“ Auch Preisträger treten ins Bühnenlicht: Jens Böckamp, aktueller WDR-Jazzpreisträger für Komposition, trifft als Saxophonist auf den ukrainischen Ausnahmegitarristen Vitaliy Zolotov zwecks gemeinsamer Intonation gemeinsamer Lieblingssongs. Das alles klingt nicht verkehrt – und wird wieder bei freiem Eintritt die Massen in Bewegung setzen. Frühzeitiges Erscheinen wird empfohlen.
Winterjazz | Sa 6.1. ab 18.30 Uhr | Stadtgarten, Umleitung, Zimmermann’s in Köln | Eintritt frei | www.winterjazzkoeln.com
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Tolerante Szene
An diesem Abend gehen Kölner Jazzbühnen fremd – Improvisierte Musik in NRW 11/24
Oper trifft heute mal Jazz
Songs & Arien auf der Insel
Große Vielfalt des Jazz
Programm des 20. Jazzmeetings Wuppertal – Festival 10/24
Nordisches Spitzenprodukt
Rymden am Theater Krefeld – Improvisierte Musik in NRW 10/24
Experimentell und innovativ
3. New Colours Festival in Gelsenkirchen – Improvisierte Musik in NRW 09/24
Immer eine Uraufführung
4. Cologne Jazzweek – Improvisierte Musik in NRW 08/24
Kult im Kulturleben Wuppertals
Der Verein Opensky – Musik 08/24
Ein Abend für den Duke
Jason Moran und die hr-Bigband in Duisburg – Improvisierte Musik in NRW 07/24
Musikalische Eröffnung der EM
Bundesjazzorchester mit Tom Gaebel in Dortmund und Köln – Improvisierte Musik in NRW 06/24
Verschiedene Welten
Drei Trompeter besuchen das Ruhrgebiet – Improvisierte Musik in NRW 05/24
Besuch von der Insel
„Paul Heller invites Gary Husband“ im Stadtgarten – Improvisierte Musik in NRW 04/24
Keine Jazz-Wünsche offen
David Friedman Generations Trio auf der Insel – Musik 04/24
Pure Lust an der Musik
Das Thomas Quasthoff Quartett im Konzerthaus Dortmund – Improvisierte Musik in NRW 03/24
Kleinstes Orchester der Welt
„Solace“ in der Friedenskirche Ratingen – Improvisierte Musik in NRW 02/24
Mit zwei Krachern ins neue Jahr
Jesse Davis Quartet und European All Stars in Köln – Improvisierte Musik in NRW 01/24
Sturmhaube und Ballonmütze
Gregory Porter in Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 12/23
Balladen für den Herbst
Caris Hermes Quintett in Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 11/23