trailer-ruhr: Herzlichen Glückwunsch zum 20-jährigen Festival-Jubiläum. Was war Klack Zwo B, mit dem 1989 alles begann?
Gabi Hinderberger: Klack Zwo B war eine aktuelle Monatsschau, die wir im Endstation.Kino als Vorfilm zur 20 Uhr-Vorstellung gemacht haben, in der wir lokale Nachrichten über Kultur oder Soziales gezeigt haben.
Zum Beispiel?
Das Beispiel der schlimmsten Kombination war ein Beitrag über ein Flüchtlingslager mit katastrophalen Zuständen in Bochum, und danach lief Schlingensiefs „Kettensägenmassaker“.
Euer Motto lautete damals „Vergesst alles, was Ihr bisher gesehen habt.“ Es ging Euch um Gegenöffentlichkeit. Wie habt Ihr das verstanden?
Das waren Zeiten, wo man das Gefühl hatte, dass in den offiziellen Medien bestimmte Menschen und Probleme gar nicht zur Sprache kamen oder anders behandelt wurden als wir sie sehen. Es gab damals viele Video-Magazine, die versucht haben Medienstrukturen aufzubrechen.
Wie war der Übergang von Klack Zwo B zum „blicke“ Filmfestival?
Wir sind jährlich zum „Freiburger Video-Forum“ gefahren, dem Treffen all dieser Videomagazine. Da haben wir Medienzentren aus Dortmund und Essen kennen gelernt. Also war klar, wir sind hier nicht die einzigen, die das machen. Aber es gab kein Forum für die Filmemacher im Ruhrgebiet.
Wie wird das Ruhrgebiet heutzutage in Deutschland medial verarbeitet?
Ich selbst komme aus Baden-Württemberg, wo das Ruhrgebiet immer noch einen schlechten Ruf als graue, verarmte Gegend hat. Die Filme, die wir von auswärts bekommen, setzen sich häufig intensiv mit dem Strukturwandel auseinander. Bei Filmen hier aus der Region gibt es den Trend weg von alten Klischees. Ich finde es interessant, das vor allem jüngere FilmemacherInnen die Region mit einem neuen Selbstbewusstsein sehen und andere Bilder und Inhalte zeigen.
Was sind das für Inhalte?
Das reicht von dem Blick in die Hinterhöfe, z.B. in einem kurzen Dokumentarfilm über Leute, die aus Containern leben über künstlerische Werke, wo Bilder gesammelt und zu einem neuen Eindruck montiert werden. Wir hatten mehrere Filme zu Duisburg-Bruckhausen, ein Stadtteil, der abgerissen und neu gestaltet wird.
Stellt Ihr fest, dass das Ruhrgebiet von außen anders wahrgenommen wird, als von den FilmemacherInnen, die hier leben?
Den Filmemachern von außen fehlt vielleicht das Pathos, das manche hier immer noch haben. Obwohl auch in einem neuen Film über die Stahlindustrie der Filmemacher nicht mehr den Bildern erlegen ist über den Abstich, der immer so faszinierend ist für Kameraleute. Er hat sich schon auch im ganzen Werk umgesehen. Das finde ich auch neu.
Für mich ist auch ein bestimmter erdiger Humor typisch für das Ruhrgebiet. Kommt das in den Filmen zum Ausdruck?
Das stelle ich leider zu selten fest. Den Alltagshumor gibt es hier auf jeden Fall, aber das findet man nicht immer in den Filmen.
Warum habt ihr vor einigen Jahren das Festival umbenannt? Aus „blicke aus dem Ruhrgebiet“ wurde „blicke.Filmfestival des Ruhrgebiets“.
Wir haben mit dem Missverständnis zu kämpfen, dass man bei uns nur Filme über das Ruhrgebiet sehen kann. Filmemacher, die hier ihren Wohnsitz haben, können aber schon immer jedes Thema bearbeiten.
Was ist das Besondere an „Blicke“?
Wir haben die Bindung zur Region und gleichzeitig gibt es keine Vorgabe zu Genre, Thema oder die Länge. Dieses Jahr waren der kürzeste Film 23 Sekunden und der längste 90 Minuten lang.
20 Jahre "blicke" wurde 2012 im Endstation.Kino gefeiert. Foto: Ansgar Dlugos
Mir gefällt die familiäre Atmosphäre und Unkompliziertheit des Festivals.
Das wird geschätzt, und alle sind begeistert davon. Obwohl es, trotz dieser angenehmen Atmosphäre immer wieder vorkommt, dass Filmemacher nervös sind, wenn sie nach ihren Filmen aufgefordert werden, darüber zu reden.
Ihr macht einen Mix zwischen Amateur-Film und professionellen Arbeiten.
Auf den Mix haben wir schon immer Wert gelegt, wobei die Amateure dieses Jahr so stark vertreten waren, wie schon lange nicht mehr. Es gibt Amateure, die die Freiheit zu experimentieren nutzen. In diesem Jahr fand ich interessant, dass nicht nur Filmleute hier waren, sondern Designer, Comic-Zeichner und Illustratoren. Das werte ich als Zeichen dafür, dass Film für immer mehr Sparten eine Rolle spielt. Wie es weiter geht mit dem Film, haben wir in einer Podiums-Diskussion thematisiert.
In den überregionalen Medien ist das Ruhrgebiet jenseits von Klischees unterrepräsentiert.
Das Ruhrgebiet kann man bei „blicke“ auf jeden Fall sehen.
Was ist Deine Motivation das Festival zu machen?
Am Anfang war es der Wille ein Forum für alle zu schaffen, die im Ruhrgebiet tätig sind. Wir haben im Laufe der Jahre die Kriterien für die Filmauswahl geändert. Früher haben wir darauf geachtet, dass von jeder Initiative was gezeigt wurde, mittlerweile geht es uns im Wesentlichen um gute Filme. Und das finde ich immer wieder spannend.
Was fällt Dir spontan zu dem Begriff „Leuchtturm in der Kultur“ ein?
Auf meinem Schreibtisch steht ein kleiner Leuchtturm, den haben wir vor einigen Jahren an die Preisträger vergeben, als der Begriff nicht nur in jedermanns Munde war, sondern auch Kriterium für Förderung. Wir fanden, es gibt hier nicht nur die Leuchttürme ab 500.000 Euro, sondern auch kleinere, die gefälligst mal zur Kenntnis genommen werden sollten.
Wie werden Projekte jenseits der Mega-Leuchttürme geschätzt von offizieller Seite?
Das ist verschieden. Wir haben einen guten Stand beim Land. Von der Stadt war diesmal die Bürgermeisterin da, die das Festival überhaupt nicht kannte und ganz angetan war, sodass sie das jetzt in den Kulturausschuss tragen will, den ich jahrelang persönlich eingeladen hatte, und nie ist einer gekommen. Vielleicht ändert sich das ja jetzt.
Was für ein Standing haben Projekte wie „blicke“ in NRW?
Generell, und das hat sich auch in der Ruhr 2010 gezeigt, ist Film immer noch ein Medium, was für Kulturförderer noch lange nicht so eine große Rolle spielt wie Theater und Musik. Im Gegensatz zu traditionellen Kunstformen, muss der künstlerische Film immer noch kämpfen.
Jenseits der Kunstdebatte geht es auch um off-Projekte versus institutionelle Förderung.
Was uns anbetrifft, haben wir uns zu spät gegründet. 1993 waren die kommunalen Haushalte schon ziemlich im Argen. Uns wurde damals gesagt, dass es keine Chance für eine institutionelle Förderung gäbe. Man muss gucken, ob sich da noch was ändern lässt.
Wo kann man Eure Programme sonst noch sehen?
Es gibt verschiedenen Orte, wo wir zwischen den Festivals so viel wie möglich zeigen, z.B. in der „Galerie Rottstr. 5“, dem „Sweet Sixteen“ in Dortmund, in verschiedenen Szene-Kneipen oder im Buchladen. Ich möchte nicht, dass der Eindruck entsteht, dass sich hier alles nur ums Ruhrgebiet dreht, aber dennoch finde ich, dass bei uns ein einmaliges Film-Archiv entstanden ist mit einer Vielfalt an filmischen Eindrücken über das Ruhrgebiet, die es sonst nirgends gibt.
Mit anderen Worten, müsst Ihr unbedingt ins Ruhr Museum auf Zollverein und dort zwei Mal die Woche Programm machen?
Ja, ja. Und alles ehrenamtlich.
Hier finden Sie einen Link zur Podiumsdiskussion zum Thema "Wohin geht der Film" vom blicke-Festival 2012.
Das 21. "blicke. Filmfestival des Ruhrgebiets" findet Ende 2013 statt.
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