Anton Bruckner schlug die Orgel bei der Trauerfeier von Franz Liszt in Bayreuth. „Na, dass mir unser Herrgott das an‘tan hat, dass i‘ g‘rad zum Tod des Herrn Abbé (Liszt) an‘kommen bin, zu so was Aufregenden.“ Cosima Wagner hatte ihn gebeten, über den „Parsifal“ zu improvisieren, Liszt hätte sicherlich ein Liszt-Thema bevorzugt. Bruckners schleimige, altbackene Art, Hochachtung zu zelebrieren, erregte beim Lebemann Liszt Übelkeit: „Wenn mir Bruckner mit der Devotion kommt, Euer Gnaden, Herr Kanonikus, dann hab ich schon genug!“
In Bochum erklingt jetzt im 200. Geburtstagsjahr Bruckners dessen „verfluchte“ Neunte, die so viele Komponisten nach Beethoven gerade noch oder nur als Fragment vollenden konnten. Bruckner hat es nicht geschafft, das Finale blieb im Finale seines Lebens unvollendet – er hatte sich mit dem Werk allerdings auch mächtig Zeit gelassen. Ein wenig Parsifal hat der Meister mit dem Gralsmotiv auch in den letzten vorhandenen dritten Satz einfließen lassen, das Adagio als „Abschied vom Leben“. Die Blechbläser haben im Scherzo präventiv die Rohre gewischt, um sodann wie ein vollgriffig gedrücktes Orgelmanual das „Lob- und Preislied auf den lieben Gott“ zu blasen – so hat es der oft seltsam naiv auftretende Anton Bruckner, der „Musikant Gottes“, selbst formuliert.
In modernen Zeiten kümmert sich Chefdirigent Tung-Chieh Chuang um vieles persönlich. Er selbst hält so vor dem Konzert eine Einführung, und unter dem Titel „Hörprobe“ besteht an einem eigenen Termin die Möglichkeit zum Besuch einer öffentlichen Probe – ein sehr beliebter intimer Blick in die Arbeitswelt eines Orchesters. Vor der Sinfonie erklingt bei den Bochumer Symphonikern das „Concerto gregoriano“ des Italieners Ottorino Respighi, ein Violinkonzert mit dem Lieblingsgeiger der Region, Frank Peter Zimmermann, der das Stück auch mit den berühmten Bamberger Sinfonikern auf Tour interpretiert.
Respighis Werk lenkt gern den Blick zurück in die eigene Musikgeschichte und adaptiert im Kern Alte Musik, um sie in erfrischend neu instrumentiertem Gewand zu präsentieren. Das zeitigt hervorragende Klangbilder wie im 1921 geschaffenen Violinkonzert, bei dem er sich auf Zeitreise in die Kunst der gregorianischen Gesänge begibt – Respighis Ehegattin, eine anerkannte Sängerin, forschte just in diesem musikhistorischen Feld.
Von Herzen – Letzte Werke | 21. (Hörprobe), 22., 23.6. | Anneliese Brost Musikforum Ruhr | 0234 910 86 22
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Aus Bachs Weihnachtsoratorium
Kammerchor amici del canto im Kulturzentrum Immanuel
Haydn, Brahms & Glanert
5. Sinfoniekonzert in der Historischen Stadthalle
Der Quempas
Die Wuppertaler Kurrende in der Christuskirche – Musik 12/24
Friedenslieder zum Jahresende
„Silvesterkonzert – Bernstein & Gershwin“ in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 12/24
Originelle Qualität
„Weihnachten mit Daniel Hope“ in der Philharmonie Essen – Klassik an der Ruhr 12/24
Sinfonische Vollender
Gil Shaham in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 11/24
Aus Alt mach Alt
Tage Alter Musik in Herne 2024 – Klassik an der Ruhr 11/24
Weiblicher Beethoven
Emilie Mayers 5. Sinfonie im Konzerthaus Dortmund – Klassik an der Ruhr 10/24
Ein Himmel voller Orgeln
Zwei Orgelfestivals in Köln und Düsseldorf – Klassik am Rhein 10/24
Mit virtuoser Blockflötistin
33. Festival Alte Musik Knechtsteden in Dormagen und Köln – Klassik an der Ruhr 09/24
Nach François-Xavier Roth
Der Abgang des Kölner GMDs sorgt für Umbesetzungen – Klassik am Rhein 09/24
Barock und Filmmusik
Open-Air-Konzerte „Viva Italia!“ im Ruhrgebiet – Klassik an der Ruhr 08/24
Exotische Musik
„Sounds of Nature“ und „Diálogos de amor“ beim Niederrhein Musikfestival 2024 – Klassik am Rhein 08/24
Pop-Hit trifft düstere Rarität
Semesterkonzert an der RUB – Klassik an der Ruhr 07/24
Akademische Bürgernähe
Michael Ostrzyga dirigiert „Elias“ in Bergheim und Köln – Klassik am Rhein 07/24
Mit Hochdruck bei der Arbeit
Die Orgelfeierstunden im Kölner Dom – Klassik am Rhein 06/24