Vor fast zehn Jahren eröffnete Slava Geppner die Tanzfaktur in Deutz. Ein riskantes Unternehmen. Kampf ums Überleben war durchweg angesagt. Heute stellt die Tanzfaktur denNukleus der Freien Szene in einer Stadt dar, die weder über ein Theater- noch über ein Tanzhaus verfügt. Statt hochfliegendePläne zu verfolgen, arbeitete Geppner im Kleinen, holte interessante Kompanien an den Rhein und bot ein Programm,wie es Köln in dieser Form noch nicht gesehen hatte. Und er sprang der Szene zur Seite, als die Not am Theater der Keller und an der Studiobühne plötzlich groß war. „Die Tanzfaktur wurde zum Schutzraum für Heimatlose“, bemerkt Slava Geppner lächelnd, aber durchaus zutreffend.
Inzwischen stemmt man an der Siegburger Straße 130 Vorstellungen im Jahr. Eine geballte Ladung Festivals – von tanz nrw über Sommerblut, Zamus, Circus Dance Festival, africologne bis zur Sommerakademie – verwandelt die Tanzfaktur zum wichtigsten kulturellen Ort im rechtsrheinischen Köln neben Schauspiel und Oper. Viel hat Geppner der Familie Campinge zu verdanken, der das Areal gehört, auf dem früher Möbel produziert wurden. Denn neben den beiden Studios und dem Theatersaal, die wechselnde Formate bedienen können, war der Umzug in dieWerkshalle der entscheidende Clou. Hier ist Raum für große Inszenierungen und vor allem ist die Höhe vorhanden, die der Tanz benötigt.Nur steht schon der nächste Kraftakt bevor: Da man vor drei Jahren einfach in die unvorbereitete Halle gezogen war, muss jetzt ein Backstage-Bereich gebaut werden und auch das Dach verlangt eine Erneuerung.
Schon einmal – vor 13 Jahren – hat man in Köln mit einer Halle in Mülheim das Fehlen eines Tanzhauses kompensieren wollen. Ein Handstreich, der viel Geld kostete und krachend scheiterte. Jetzt scheint mit dem Depot im Carlswerk, das vom Schauspiel im nächsten Jahr nicht mehr zentral genutzt wird, wieder eine einfache Lösung zu winken. Aber eine große Halle alleine bietet nicht die gewachsenen Strukturen, die derfreie Tanz braucht. Viele Produktionen realisieren sich in kleinen Formaten, die den intimen Rahmen benötigen, in dem sich dann auch das Publikum wohl fühlt. Dieses Publikum ist da, und es wächst mit jedem Jahr nach. Gerade das junge Publikumbringt eine Tanzbegeisterung mit, wie sie Köln mit seinen drei Hochschulen, an denen Tanz gelehrt wird, zuvor noch nicht erlebt hat. Nach Jahrzehnten des Niedergangs könnte Köln wieder an große Zeiten anknüpfen.
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