„Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an.“ Diese Schlagerweisheit, die das Leben kumpelhaft in rosarotes Licht taucht, kann ein absoluter Klassiker des Fusion-Jazz jederzeit unterschreiben. Lee Ritenour, der Erfinder des E-Gitarrenvirtuosen, bekam schon als Teenager-Sideman bei der Beatband The Mamas and The Papas den Qualitätsstempel „Captain Fingers“ aufgedrückt, weil er einfach unbeschreiblich und damals unerwartet schnelle und ausdauernde Läufe auf sein Griffbrett hagelte – und dann noch mit überbordender Musikalität melodisch eingängig gestaltete. Er zählt zu der absoluten Creme der Gitarristen, die diese Musikrichtung meist nur streiften und viele andere Stile in ihre Musik einbezogen – Ritenours Live-Konzerte liefern immer noch die Ware, die einst seine Fangemeinde anschwellen ließ, zwanzig Mal stand sein Verdienst für die Verleihung eines Grammys an. In der Sparte E-Musik wären seine rund 35 Hits von 40 eigenen Alben heute unter „Klassiker der Moderne“ einzuordnen – in der Unterhaltungsmusik wäre dies die Aufnahme in ein Realbook, der Bibel der Jazzmusik in immer weiter gefassten Genres.
Vor bald zehn Jahren feierte Lee sein 50-jähriges Bühnen-Jubiläum mit dem Album „6 String Theory“, auf dem bekannte, aber völlig unterschiedliche Kollegen wie Steve Lukather, Neal Schon, John Scofield, Slash, Mike Stern, George Benson und B.B. King mit Newcomern wie Andy McKee, Joe Robinson und Guthrie Govan zu hören sind. Die Scheibe entstand in Zusammenarbeit mit Ritenours erster multinationalen ‚Six String Theory competition‘, einem weltweit geachteten Gitarristen-Wettbewerb. Lee über sein Lieblingsprojekt: „Als ich diesen Wettbewerb ins Leben rief, habe ich gehofft, dass er von vielen etablierten Musikern unterstützt wird. Seitdem haben wir wirklich erstaunliche Sachen bewirkt, und ich könnte nicht zufriedener und dankbarer sein, dass so viele Künstler an dieser Reise teilnehmen.“
Der Pianist an diesem Abend in Bochum stammt aus Colorado, besitzt zudem eine klassische Ausbildung neben dem Studium der Komposition und zählt heute zu den bekanntesten zehn Filmkomponisten seiner Generation. Vor fünfzig Jahren startete er als Jazz-Musiker u.a. mit Lee. In den Siebzigern gründete er zusammen mit Tonmeister Larry Rosen das Indie-Label GRP. Mit ihrer frühen Begeisterung für neue Aufnahmetechniken zählten sie zu den Pionieren der digitalen Technologie. Mit ihren legendären Direktschnitt-Vinylen knackte damals die Musik von Lee Ritenour und Dave Grusin so manchen edlen Lautsprecher.
Mit über 60 Film-Soundtracks, dem Oscar für die Filmmusik zu „Milagro — Der Krieg im Bohnenfeld“, 12 Grammy Awards und unzähligen Nominierungen hat er sein erfolgreichstes Wirkungsfeld abgesteckt. Aber der Musiker Grusin wird ebenfalls im Alter wieder umtriebiger – Altersweisheit weckt ehrliche Leidenschaft für das eigentlich Wichtige.
Lee Ritenour & Dave Grusin | Sa 28.7. 20.30 Uhr | Christuskirche Bochum | 01806 700 733
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