Wenn wir etwas beobachten, fühlen wir nicht, sondern sind einem Gefühl ausgesetzt. Auf dieser Situation basiert das Theater seit seinen antiken Anfängen. Heute finden sich vor allem in der freien Tanzszene viele Produktionen, die die Distanz zwischen Betrachtenden und Agierenden auflösen möchten, so dass das Publikum Teil einer Performance wird. Was allerdings selten überzeugend gelingt. In Bonn hat die CocoonDance Company das Theater im Ballsaal für seine neue Produktion „Chora“ von allen Sitzmöbeln befreit. Die Chora ist eine griechische Bezeichnung für die Dorfgemeinschaft und Verschmelzung spielt in dieser Inszenierung eine zentrale Rolle. Zunächst stehen die Menschen ratlos im Halbdunkel, erst allmählich schält sich heraus, wer zum siebenköpfigen Ensemble von Cocoon gehört.
Die Tänzerinnen und Tänzer bewegen sich durch die Menge, in wechselnden Tempi. Als Besucher muss man ständig seine Position wechseln, um das Geschehen verfolgen zu können. Mühsam ist das nicht. Im Gegenteil, die Akteurinnen befinden sich auf gleicher Höhe mit dem Publikum, stets geschieht irgendetwas in unmittelbarer Nähe. Das Licht taucht die sich verändernden Situationen im Raum in eine Atmosphäre, die entrückt oder alarmiert. Der Sound von Jörg Ritzenhoff und Franco Mento vermittelt ein Raumgefühl, das virtuos mit Weite oder Enge spielt. Auf subtile Weise forciert es Emotion durch Lärm oder Rhythmus und gleitet dann wieder in ruhigeres Fahrwasser.
Im Kern geht es hier um das Wesen der Bewegung, das sich in den unterschiedlichen Medien von Licht, Ton und Tanz entäußert. Die Qualität der Cocoon-Produktionen – die aus der Handschrift von Choreographin Rafaele Giovanola und Dramaturg Rainald Endrass hervorgeht – liegt in der Korrespondenz von äußerer und innerer Bewegung. Diesmal setzt man ganz auf den Effekt der Performance. Was zählt, ist das, was man sieht. Das Publikum folgt den Tänzerinnen und Tänzern, die sich gegen Ende in einen vielgestaltigen Körper verwandeln, der gleich einer Welle aus Leibern durch den Raum vagabundiert.
CocoonDance ist immer innovativ, diesmal scheint das Team aus Bonn auszutarieren, wohin der Weg in Zukunft führen wird.
Chora | 8., 9.12. 20 Uhr | Tanzfaktur Köln | 0221 22 20 05 83
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