Syrien ist im Kommen, Libyen schon am Abklingen, keine Rolle mehr spielen dagegen Tunesien und Ägypten. Die mediale Berichterstattung im Westen über die sogenannte Arabellion, die Aufstände im arabischen Raum, folgt so zynisch wie gnadenlos den Ausschlägen auf der Richterskala des Novitätenwerts. Das Interesse steigt genauso schnell, wie es wieder schwindet. In Düsseldorf sind jetzt zwei Theaterproduktionen zu sehen, die einen Blick auf die aktuelle Situation erlauben.
Regisseur Frank Raddatz und die libanesische Künstlerin Etel Adnan, die im nächsten Jahr an der Documenta teilnimmt, setzen sich in der in Beirut entstandenen Produktion „Masks of Violence“ mit dem vielfältigen Bezug von Gewalt und Identität auseinander und untersuchen Gewalterfahrung als dauerhaftes Substrat von Subjektivität. Grundlage sind Adnans Text „In einer Kriegszeit leben“ sowie Gedichte von Heiner Müller, die von syrischen, libanesischen und deutschen Schauspielern performt werden. In einem dritten Teil soll die Autorin mit Gästen über die Hoffnungen und Befürchtungen der aktuellen Aufstände sprechen. Unschwer erkennbar, dass es Raddatz und Adnan in ihrem Projekt auch um die Erfahrung von kultureller Differenz und ihre Überwindung geht, sei es in der arabisch-deutschen Performance der Schauspieler, sei es im Dialog auf der Bühne.
In derselben Woche kommen auch die ägyptische Theatermacherin Laila Soliman und der belgische Performer Ruud Gielens mit ihrer Produktion „Lessons in Revolting“, die gerade beim Zürcher Theaterspektakel zu sehen war, nach Düsseldorf. Das Stück – Premiere war am 18. August in Kairo – entstand in enger Zusammenarbeit mit anderen Künstlern wie der Filmemacherin Aida El Kashef, der Choreografin Karima Mansour oder dem Musiker Mustafa Said. In einem wilden Mix aus Tanzszenen, Videofragmenten, Gedichtrezitationen und Berichten von Folterungen entsteht ein heterogenes Bild der vergangenen und aktuellen Unruhen, in dem sich das führerlose Aufstands-Patchwork der Revolution spiegelt. Es beginnt mit einem etwas trockenen Rückblick auf berühmten 18 Tage bis zum Sturz Hosni Mubaraks. Doch eigentlich geht es Laila Soliman um die Fortsetzung des Aufstands: „Wir mussten andere Wege finden, um weiterzukämpfen“. Danach mündet der Abend in ein fast aktionistisches Format, in dem die Rolle der Armee und des Hohen Militärrats hinterfragt wird. Die aktuellen Folterungen, die Prozesse und die Rolle des vermeintlich neutralen Militärs während des Aufstands werden den Tagen der ägyptischen Studentenrevolte von 1968 und den Kriegen gegen Israel gegenübergestellt. Es entsteht eine faszinierende Überlagerung, deren Absicht, so die dreißigjährige Theatermacherin, eine Art „alternative Geschichtsschreibung“ ist. Trotz mancher Verständnisschwierigkeiten überzeugt der Abend vor allem durch seine emotionale Wucht, für die Autoren und Performer persönlich auf der Bühne einstehen.
Forum Freies Theater Düsseldorf | Masks of Violence“ von F. Raddatz und E. Adnan I 6./8./10.10. I FFT-Juta
„Lessons in Revolting“ von L. Soliman und R. Gielens I 7./8.10. I FFT-Kammerspiele | www.forum-freies-theater.de
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