Im März gehen Theater und Gewerkschaften in eine neue Verhandlungsrunde über Arbeitszeitregelungen im Tarifvertrag NV Bühne. Vor einem Jahr waren erste Verhandlungen gescheitert. Um die Konflikte nicht zu groß werden zu lassen, haben sich beide Seiten am 18. und 19. Februar bereits zu einem gemeinsamen Workshop getroffen: Auf der einen Seite der Deutsche Bühnenverein, der die Theater und Kommunen vertritt, auf der anderen Seite die drei Bühnengewerkschaften BFFS (Bundesverband Schauspiel), GDBA (Genossenschaft Deutscher Bühnen Angehöriger) und VdO (Vereinigung deutscher Opern- und Tanzensembles).
Warum das Thema Arbeitszeit so heikel ist, zeigt folgendes Beispiel: Der Schauspieler Andreas Grötzinger und seine frühere Lebensgefährtin waren beide am Schauspiel Köln beschäftigt und haben zwei Kinder großgezogen, was nur dank Au-pair und Babysitter möglich war. Der Grund: Probenzeiten werden fast immer von einem Tag auf den anderen festgelegt. Zweites Problem: Der Vertrag NV Bühne hat in der Regel eine Laufzeit von zwei bis drei Jahren und kann dann alljährlich aus „künstlerischen Gründen“ zum Ende einer Spielzeit gekündigt werden. Familienplanung ist so kaum möglich. „Eine längere Laufzeit des Vertrages hätte eine andere Perspektive geschaffen“, so Andreas Grötzinger.
„Für Familien und überhaupt alle Menschen würde es einfacher werden, wenn wir an zwei Stellschrauben drehen: Entlastung und Planbarkeit“, sagt deshalb Lisa Jopt von der Gewerkschaft GDBA. Darüber hinaus strebt die Arbeitnehmerseite grundlegend neue Arbeitszeitmodelle inklusive Teilzeitarbeit an, aber auch die Anerkennung von vor- und nachbereitenden Tätigkeiten, angemessenere Ruhezeiten zwischen Proben und Vorstellung sowie die Abschaffung der ständigen Erreichbarkeitspflicht. Wenn umgekehrt Claudia Schmitz, die Direktorin des Deutschen Bühnenvereins, den Vertrag NV Bühne als „Spannungsverhältnis zwischen künstlerischer Freiheit und dem Schutzbedürfnis des Einzelnen“ beschreibt, ist der Gegenpol genau benannt. Künstlerische Prozesse leben gerade von Fluktuation, von Überraschung, auch von Gefahren – eben von all dem, was nicht ins Raster bürokratischer Planung passt. Wie beides zu vereinen ist, wird nun im März verhandelt.
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