Wenn man vor einer Tanzpremiere auf dem Parkplatz von PACT Zollverein auf die Nummernschilder der Automobile schaut. Dann überwiegen nicht unbedingt die aus Essen. Zahlreiche Gäste aus Düsseldorf, Köln, Wuppertal oder Krefeld unternehmen für eine vielversprechende Tanzproduktion gerne den Weg ins Ruhrgebiet. Unter ihnen befinden sich auch die Mitglieder der tanzsociety. Die wurde 2001 in Köln gegründet und ist eine Sektion des Kunstsalons, der im Süden der Stadt residiert. Der Tanz, als das von der öffentlichen Hand wenig geliebte Kind der Kulturszene, braucht eine Lobby, dachten sich der Unternehmer Andreas Schmitz und seine Mitstreiter. „Aber nicht nur aus finanziellen Gründen braucht der Tanz jemanden, der ihm zur Seite steht“, meint Schmitz, „sondern auch aus inhaltlichen, da sich die Aussagekraft dieses Mediums, das mit dem menschlichen Körper von der Welt erzählt, wie es kein anderes Medium vermag, in unserer Gesellschaft noch nicht wirklich herumgesprochen hat.“
Tanz, den man ihn heute auf den Bühnen sieht, ist nicht mehr mit den herkömmlichen Vorstellungen vom Ballett zu verwechseln, und doch gehört auch die hohe Schule des klassischen Tanzes dazu. In der tanzsociety „fängt man die Interessierten ein“, wie Vorstand Andreas Schmitz erklärt. Man wechselt zum Beispiel auf die andere Rheinseite und besucht in Düsseldorf Produktionen von Martin Schläpfer, der in seinen Choreografien den Spitzentanz mit dem Repertoire des Modern Dance kombiniert. Im Tanzhaus der Landeshauptstadt lassen sich die Mitglieder dann von den Dramaturgen die Welt hinter den Kulissen zeigen. Wer einen Blick in die innere Mechanik des Tanzes erhält, versteht, wie Bewegung Bedeutung erzeugt und mit Gesten erzählt. Richard Siegal, der in Zukunft mit seiner Kompanie Body of Difference Koproduktionen für München und Köln liefert, besucht den Kunstsalon, um ganz konkret zu zeigen, wie eine Bewegung die nächste herausfordert. Im Alltag gibt es zahlreiche solcher Situationen, deren tänzerische Dimension uns gar nicht bewusst ist.
Zentraler Ort der Aktivitäten bleibt für die Mitglieder der tanzsociety jedoch Kölns Stadtplan mit seinem weit verzweigten System von Spielorten wie Barnes Crossing im tiefen Süden, der Tanzfaktur im Osten nahe dem Deutzer Hafen oder der Orangerie des Volksgartens, um nur drei zu nennen. Mit einem Choreografie-Preis unterstützen die Tanzenthusiasten im lokalen Biotop talentierte Künstler und Künstlerinnen, die den Mut zum Experiment aufbringen. Diese Produktionen zeigt dann das Festival Tanztausch im Herbst eines jeden Jahres. Und damit die Brücke zwischen der Ausbildung an der Hochschule und dem rauen Geschäft der freien Szene geschlagen werden kann, wurde ein Crossover-Stipendium ins Leben gerufen, das Ausbildung und Management der Tänzer und Tänzerinnen in professionelle Hände legt. Letztlich bleibt das private Engagement ein Fingerzeig für die Stadt Köln und das Land NRW, engagierter als bisher in eine Kunst zu investieren, die den digitalen Bildern mit sinnlicher Unmittelbarkeit zu begegnen weiß.
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