Im September des vergangenen Jahres war dem Vertriebsleiter der Stadtwerke Solingen (SWS) Stefan Ziebs gar nicht zum Lachen. Die Statistikbehörde des Landes IT NRW wies der Stadt Solingen einen Trinkwasserpreis von 2,68 Euro pro Kubikmeter aus. Das war der Spitzenwert in NRW, wie die Rheinische Post damals berichtete. Im Gegenzug behauptete Ziebs, die Werte der statistischen Landesbehörde für die einzelnen Kommunen seien nicht miteinander vergleichbar. Man mag über die Absichten der EU denken, wie man will. Das Beispiel aus Solingen zeigt, dass eine Transparenz in der Ermittlung der Wasserpreise sowie in der Vergabe der Wasserkonzessionen – denn das eine muss mit dem anderen einhergehen, will man sich auf dem freien Markt positionieren – nicht da ist. Oftmals, wie im Falle der SWS, ist der Wasserversorger alleiniger kommunaler Anbieter. Im Falle der SWS kommt dazu, dass die Stadt Solingen mit ihrer Beteiligungsgesellschaft selbst 95% an den Stadtwerken hält. Die Instanz, die die Vergabe der Konzessionen regelt, geht somit nahtlos in jene über, die sie erwirbt.
Für wirkliche Transparenz sorgt nur Preisermittlung auf Nachfrage
Die kommunale Wasserversorgungspolitik wird in Solingen von einer Mehrheit getragen. Auch in vielen anderen Kommunen ist diese Praxis nicht nur bewährt, sondern für viele auch beruhigend. Seit 2005 häuften sich aber bundesweit die Fälle, in denen die jeweiligen Landeskartellbehörden die regionalen Wasserversorger nach einer Erklärung für den hohen Wasserpreis baten, oder, wie in Baden-Württemberg mit dem Unternehmen Calw, eine Preissenkung durchsetzen wollten. Hintergrund ist das 2005 erneuerte Umweltstatistikgesetz. Es verpflichtet seit 2007 die Wasserversorger zu einer Angabe der Wasserkosten beim Statistischen Bundesamt. Auch wenn für die Wasserversorger hierdurch der bürokratische Aufwand gestiegen sein dürfte, so ermöglicht das Umweltstatistikgesetz Einblick in das komplexe Verfahren der Wasserpreisberechnung.
Dies beginnt schon dabei, aus welcher Quelle das Wasser vor seiner Reinigung bezogen wird. Im Falle Solingens kommt der Großteil des Trinkwassers aus der Sengbachtalsperre, bevor es in das Wasserwerk Glüder gelangt. Damit gehört es zu den Oberflächengewässern, für deren Aufbereitung wieder andere Methoden notwendig sind als beim Grundwasser. Zum Beispiel muss Talwasser, nachdem es beim Filtern von allen Bakterien befreit wurde, noch mal mit Calciumcarbonat aufgehärtet werden. Denn: Bei regelmäßigem Durchlaufen von weichem Wasser steigt die Rostgefahr für die Rohre. Dies ist nur ein Beispiel, wie sich die Quelle des Wassers direkt auf die Verarbeitung und damit letztendlich auch auf den Preis auswirken kann. Weitere wichtige Faktoren in der Preisermittlung sind die Kosten der Rohre und Pumpen, die Dichte der Bebauung mit Rohren, die Wasserqualität sowie die Höhe der Konzessionsabgaben an die Kommunen. Für eine wirkliche Transparenz müsste der Wasserversorger dazu übergehen, seine Preisermittlung auf Nachfrage parat zu haben. Der Weg ist lang, bleibt aber notwendig. Die Alternative heißt Spekulieren.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
„Das Trinkwasser in kommunaler Hand“
Johannes Slawig über alte und neue Organisationsformen der Stadtwerke – Thema 04/13 Unser Wasser
„Private Betreiber könnten das Wasser verteuern und die Qualität verringern“
Paul Kröfges über Probleme bei der Wasserversorgung aus Sicht des Umweltschutzes – Thema 04/13 Unser Wasser
Was ist mit dem Wasser los?
Die Europäische Union plant die Privatisierung der Wasserversorgung – THEMA 04/13 Unser Wasser
Branchenprobleme
Intro – Gut informiert
Journalismus im Teufelskreis
Teil 1: Leitartikel – Wie die Presse sich selbst auffrisst
„Nicht das Verteilen von Papier, sondern Journalismus fördern“
Teil 1: Interview – Der Geschäftsführer des DJV-NRW über die wirtschaftliche Krise des Journalismus
Pakt mit dem Fakt
Teil 1: Lokale Initiativen – Das Zentrum für Erzählforschung an der Uni Wuppertal
Teuer errungen
Teil 2: Leitartikel – Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss bleiben – und besser werden
„Die Sender sind immer politisch beeinflusst“
Teil 2: Interview – Medienforscher Christoph Classen über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Aus den Regionen
Teil 2: Lokale Initiativen – Das WDR-Landesstudio Köln
An den wahren Problemen vorbei
Teil 3: Leitartikel – Journalismus vernachlässigt die Sorgen und Nöte von Millionen Menschen
„Das Gefühl, Berichterstattung habe mit dem Alltag wenig zu tun“
Teil 3: Interview – Medienwissenschaftlerin Marlis Prinzing über Haltung und Objektivität im Journalismus
Von lokal bis viral
Teil 3: Lokale Initiativen – Die Landesanstalt für Medien NRW fördert Medienvielfalt
Nicht mit Rechten reden
Der „cordon sanitaire médiatique“ gibt rechten Parteien keine Bühne – Europa-Vorbild Wallonien
Der Vogelschiss der Stammesgeschichte
Wenn Menschenrechte gleich Lügenpresse sind – Glosse
Ich, Menschenfeind
Intro – Rechtsabbieger
Faschismus ist nicht normal
Teil 1: Leitartikel – Der Rechtsruck in Politik und Gesellschaft – und was dagegen zu tun ist
„Radikalisierung beginnt mit Ungerechtigkeitsgefühlen“
Teil 1: Interview – Sozialpsychologe Andreas Zick über den Rechtsruck der gesellschaftlichen Mitte
Nicht mit uns!
Teil 1: Lokale Initiativen – Das zivilgesellschaftliche Netzwerk Wuppertal stellt sich quer
Hakenkreuze auf dem Schulklo
Teil 2: Leitartikel – Wo Politik versagt, haben Rechtsextremisten leichtes Spiel
„Man hat die demokratischen Jugendlichen nicht beachtet“
Teil 2: Interview – Rechtsextremismus-Experte Michael Nattke über die Radikalisierung von Jugendlichen
Zwischen Krawall und Karneval
Teil 2: Lokale Initiativen – Der Bereich Gegenwart im Kölner NS-Dok klärt über Rechtsextremismus auf
Die Unfähigkeit der Mitte
Teil 3: Leitartikel – Der Streit ums AfD-Verbot und die Unaufrichtigkeit des politischen Zentrums
„Die Chancen eines Verbotsverfahren sind relativ gut“
Teil 3: Interview – Rechtsextremismus-Forscher Rolf Frankenberger über ein mögliches Verbot der AfD
Antifaschismus für alle
Teil 3: Lokale Initiativen – Der Bochumer Antifa-Treff