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Bonhoeffer

Bonhoeffer
Irland, Belgien 2024, Laufzeit: 133 Min., FSK 12
Regie: Todd Komarnicki
Darsteller: Jonas Dassler, Phileas Heyblom, August Diehl
>> bonhoefferfilm.de/

Problembehaftetes Biopic

Pastor, Spion, Attentäter?
„Bonhoeffer“
von Todd Komarnicki

1906 kommt Dietrich Bonhoeffer zur Welt und wächst behütet im ländlichen Elternhaus auf. Als gläubiger junger Mann (Jonas Dassler) wird er evangelischer Jugendreferent und absolviert ein Stipendiat in New York. Dort leistet er in der Kirchengemeinde Harlem Pastoralarbeit und ist rasch begeistert von dem engagierten freiheitlichen Glauben, den die Menschen ihm hier vorleben. Zurück in Deutschland, wird die Kirche von den Nationalsozialisten unterwandert. Bonhoeffer bezieht öffentlich kritisch Stellung. Er sucht und findet Gleichgesinnte, auch aus dem Widerstand. Je größer die Repressalien werden, desto mehr ist Bonhoeffer davon überzeugt, aktiv gegen die Judenverfolgung aufbegehren zu müssen. Mit Wort und Tat.

Dietrich Bonhoeffer war ein eherner Mann. Ein Mann des Glaubens. Ein Mann, der sich offen gegen den Faschismus stellte. Der us-amerikanische Regisseur Todd Komarnicki schrieb 2016 das Drehbuch zu Clint Eastwoods „Sully“ und will dem deutschen Widerstandskämpfer jetzt ein filmisches Denkmal setzen. Sein Drama mündet in einer zweistündigen Leinwand-Predigt. Das mag naheliegen, weil der Film von einem Prediger handelt. Nur fehlt dem Film, wie so manchem Gottesdienst, manche Erdung. Vieles wirkt weichgezeichnet und in gesalbtes Wort gegossen. Komarnicki vermittelt viel gute Seele, nur manchmal meint er es zu gut. Wenn zum Beispiel im Hitlerdeutschland zwei Duzend Nazis von der Kanzel herab aus der vollbesetzten Kirche gebeten werden und die versammelte Gemeinde bis auf die letzten Plätze applaudiert. In Nazideutschland. Auch in Narration und Handwerk gibt sich das Drama verklärt. Die Montage wirkt mitunter unbeholfen, wenn sie zu verschachtelt sein will. Die Narration ist zu sehr um Rahmen bemüht (Stichwort „Erdbeere“) oder bemüht schlechte Metaphern. So sagt der Vater (Moritz Bleibtreu) seinem Dietrich, er verstehe Drachensteiger nicht: „Du folgst ihnen, und sie führen nirgends hin.“ Naja.

Bonhoeffer mit einem Biopic zu huldigen ist ehrenwert, aber hier geschieht das recht verklärt. Und es bleibt unscharf. Bonhoeffer sieht sich irgendwann gezwungen, seinen Worten Taten folgen zu lassen. „Bereits David“, so sagt er im Film, „war ein Hirte, bevor er Goliath schlug“. Wie weit Bonhoeffer bereit gewesen wäre zu gehen, bleibt in dem Film Interpretationssache.

Was bei Komarnicki noch als Unbeholfenheit durchgehen mag, ist andernorts längst strategische Machenschaft: Trump-affine Evangelikale aus den USA verklären Bonhoeffer längst zu ihrem Vorbild. Zum Vorkämpfer. Der Trump-Aktivist und Influencer Eric Metaxas hat schon 2012 eine streitbare Biografie zu dem Antifaschisten veröffentlicht, die als Vorlage zu einem Drehbuch aus konservativen-christlichen Kreisen diente – und die man auch Komarnicki vorlegte. Stattdessen machte der Regisseur sein eigenes Ding. Allerdings erwarben für seinen Film die christlich-nationalistisch verorteten Angel Studios („Sound of Freedom“) in den USA die Verleihrechte, versahen Bonhoeffer auf den Filmplakaten mit einer Pistole und betitelten den Widerständler nicht bloß als Pastor und Spion, sondern auch als Attentäter („Assassin“). Denn wer im Namen Gottes und der Freiheit Worten Taten folgen lässt, der wird halt Killer. Oder stürmt das Capitol. Hallelujah!

Während wir Trump faschistoid verorten, verkauft sich der US-Präsident als Verteidiger der Demokratie. Während wir die US-Regierung auf dem direkten Weg zur Diktatur sehen, vergleicht Metaxas Joe Biden mit Adolf Hitler. Und während sich Dietrich Bonhoeffer selbstlos gegen die Nazis engagierte und dabei weder in der Planung etwaiger Gewalttaten involviert war noch zur Pistole griff, wird Bonhoeffer heute von „christlichen“ Ultrarechten zum gottgesandten Attentäter verklärt.

Man kann Komarnicki keine falsche Absicht vorwerfen. Er hat bloß keinen besonders guten Film gemacht, und er erscheint eine Spur zu naiv für ein Bonhoeffer-Biopic – in Zeiten eklatanter Geschichts- und Realitätsverdrehung: Schlechtes Timing.

Trotzdem hält Komarnickis Bonhoeffer am Ende die andere Wange hin. Trumpisten tun dies sicherlich nicht. Trumpisten drücken Bonhoeffer posthum die Waffe in die Hand.

Aggressoren sind keine Aggressoren, sondern Widerständler, sagen die Aggressoren. Adolf Hitler war Sozialist, sagt Alice Weidel. Die Nazis waren nur ein Vogelschiss, sagt Alexander Gauland. Und Demokratiefeinde erklären den Antifaschisten Dietrich Bonhoeffer zu ihrem Vorbild. Wir sollten mal aufhören, bloß zu glauben und anfangen zu denken. Und: Schwurbler, lasst eure Hände von unseren Leinwänden!

(Hartmut Ernst)

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