Die Eleganz der Madame Michel
Frankreich 2009, Laufzeit: 100 Min., FSK 6
Regie: Mona Achache
Darsteller: Josiane Balasko, Garance Le Guillermic, Togo Igawa
In einem bürgerlichen Mietshaus begegnen sich drei Personen und finden gemeinsam einen Weg aus der Tristesse. Madame Michel (Josiane Balasko), eine eher zurückhaltende, mitunter etwas kratzbürstige Concierge in einem Pariser Wohnhaus, lebt ein zurückgezogenes Leben. Die Familien, die in dem Haus wohnen, sind wohlhabend und verschwenden keine Gedanken an die Hausmeisterin, die sich die meiste Zeit mürrisch in ihrem Kabuff im Erdgeschoss versteckt und heimlich Bücher verschlingt. Eine der Bewohnerinnen ist die elfjährige Paloma (Garance Le Guillermic), ein aufgewecktes, unterfordertes Mädchen, das sich in seiner neureichen Familie langweilt und Selbstmordpläne schmiedet. Kein Wunder bei einer medikamentenabhängigen Mutter, die mehr mit ihren Pflanzen redet als mit der eigenen Tochter. Doch dann kommt mit einem neuen Mieter, dem Japaner Kakuro Ozu (Togo Igawa, „Eyes Wide Shut“), Leben in die Tristesse. Nicht nur, dass Paloma endlich Beachtung geschenkt wird – auch für Madame Michel scheint sich der charmante Herr zu interessieren. Mona Achaches poetisch-elegante Parabel ist ihr Kinodebüt und basiert auf dem Roman „Die Eleganz des Igels“ von Muriel Barbery. An dem Buch faszinierte die Regisseurin unter anderem, „welcher Zauber unwahrscheinlichen Begegnungen innewohnt“. Die unwahrscheinliche Begegnung ist das Fundament des Dramas, Achaches Film ist zauberhaft. In der mehrstöckigen Welt, in der Anonymität und Geld regieren, begegnen sich drei Menschen, erkunden einander, öffnen sich, beginnen zu leben. Ein Mädchen, das aus seinem goldenen Käfig – in diesem Fall symbolisiert durch ein Goldfischglas – ausbricht, eine Concierge, die rechtzeitig erwacht, bevor sie für immer in die Einsamkeit entschläft, und ein Witwer, der reich ist, aber trotzdem interessiert in den Kern seiner Mitmenschen schaut. Ebenso respektvoll wie Kakuro blickt Regisseurin Achache auf ihre Madame Michel: Durchaus amüsiert, aber nie spöttisch folgt sie ihrem Alltag, der droht, in Einsamkeit zu stranden. Mit dem Japaner entdeckt die Kamera die Person hinter der unscheinbaren Figur im Erdgeschoss und scheint sich wie er in sie zu verlieben. Alle drei Protagonisten versprühen ebenso Witz wie Schmerz. Erst in der Dreisamkeit finden sie Mut und Zuversicht. Achache predigt spielerisch die gesunde, von Respekt getragene, vorurteilsfreie Neugier, den Mut zum Dialog, der bereichert. Ein Blick steht hier im Fokus, der sich nicht etwa reflexartig abwendet, sondern der Dialog, Freundschaft und Liebe initiiert. Ein Blick, dem sich der Rest des Hauses entzieht. Mona Achache liefert eine poetische Geschichte ab, die sich auch mal in fantasievollen Animationen verliert und die Gabriel Yared („Betty Blue“) verspielt musikalisch begleitet. Darüber hinaus beweist die Regisseurin aufs Neue, wie federleicht, charmant und unverkopft das französische Kino zu sinnieren, reflektieren und philosophieren vermag.
(Hartmut Ernst)
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