Die Frau in Gold
Großbritannien, USA 2015, Laufzeit: 107 Min., FSK 6
Regie: Simon Curtis
Darsteller: Helen Mirren, Ryan Reynolds, Daniel Brühl, Katie Holmes, Charles Dance, Tom Schilling, Justus von Dohnányi
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Zur Zeit feiert Wien stolz das 150. Jubiläum seiner Ringstraße, die seinerzeit mit jüdischem Kapital gebaut, im 2. Weltkrieg weitgehend zerstört, dann aber wiederhergestellt wurde. Ganz anders als mit ihren Prachtbauten gehen die Österreicher dagegen mit ihren Juden um, die damals das Land verlassen mussten und bis heute um ihr von den Nazis beschlagnahmtes Eigentum kämpfen. Einem dieser Fälle, der ‚Goldenen Adele’ von Gustav Klimt, geht der britische Regisseur Simon Curtis („My week with Marylin“) in einem Justizkrimi nach, in dem es nicht nur um Recht und Gerechtigkeit geht, sondern der auch ein bewegendes Stück Vergangenheitsbewältigung ist und klar macht, dass zu jener Zeit Wertvolleres zerstört worden ist als Gemälde, die heute auf dem Kunstmarkt weit mehr als 100 Millionen Dollar erzielen.
„Glauben Sie wirklich, Österreich wird dieses Bild herausrücken, damit es über dem Sofa einer alten Dame hängt?“ Randys Kanzleichef (Charles Dance) schüttelt nur den Kopf über so viel Naivität. Aber der junge Anwalt Randy Schoenburg (Ryan Reynolds) bleibt stur. Längst hat der Enkel des berühmten Komponisten Arnold Schönberg Feuer gefangen. Die spektakuläre Geschichte von Maria Altmann (Helen Mirren) hat es ihm, nach anfänglichem Zögern, angetan. Auch wenn es aussichtslos erscheint, versteht er ihren Kampf um Gerechtigkeit und eines der legendärsten Gemälde der Welt – Gustav Klimts „Die goldene Adele“, dem von NS-Schergen erbeuteten Portrait ihrer Tante Adele Bloch-Bauer. „Die Menschen sehen nur ein Meisterwerk eines der größten Künstler Österreichs“, erzählt ihm die Holocaust-Überlebende, „aber ich sehe ein Bild meiner Tante, einer Frau, die mit mir über das Leben sprach“. Diese Erinnerungen sind nach den Gräueln des NS-Terrors, dem fast alle Mitglieder ihrer jüdischen Familie zum Opfer fielen, schmerzhaft. Deshalb weigert sich die Emigrantin zunächst, zusammen mit dem unerfahrenen, aber eifrigen Juristen nach Wien, in ihre ehemals geliebte Heimatstadt, zu reisen. Doch nur in der Donaumetropole, wo das legendäre Gemälde die Galerie im Schloss Belvedere ziert, können sie hoffen, weitere Spuren zu finden, um ihren Rechtsstreit voranzutreiben. Freilich zeigt sich die österreichische Regierung wenig kooperativ. Lediglich Hubertus Czernin (Daniel Brühl), ein aufrechter Verleger, steht ihnen als Verbündeter zur Seite. Gleichzeitig überwältigen die resolute 80-jährige die Schatten der Vergangenheit. Eine Odyssee beginnt, die sich über Jahre hinzieht und das ungleiche Duo bis vor den Obersten Gerichtshof in Amerika führt. Vor allem in den eindringlichen Rückblenden aus Maria Altmanns Kindheit am Ende des Fin de Siècle, der bejubelten NS-Machtübernahme bis hin zu ihrer dramatischen Flucht, zeigt Simon Curtis’ klassisch exzellentes Erzählkino hochemotionale Momente. Sein erhellendes Justizdrama bewahrt vor Vergessen und Verdrängen. Dass Österreichs Zweite Republik darin eine unrühmliche Rolle spielt und Ewiggestrige sich am liebsten heute noch als Opfer stilisieren, kann dem Film nicht angelastet werden. Denn dabei handelt es sich leider nicht um überzeichnete Klischees, sondern um beschämende Realität. Schließlich profitierten von der Arisierungspolitik der Nazis auch die großen Museen in Wien. Bis zuletzt sträubten sich die offiziellen Stellen gegen die Herausgabe der nationalen Heiligtümer, die seit 1938 in der Wiener Galerie hingen. Ohne die akribische Recherche des österreichischen Verlegers Hubertus Czernin, der die NS-Vergangenheit des ehemaligen österreichischen Präsidenten Waldheim aufdeckte, wäre der Kunstthriller jedoch nicht möglich gewesen. Er brachte die unterbliebene Restitution von Nazi-Raubgut ins Rollen. Maria Altmann selbst erlebt ihre filmische Hommage leider nicht mehr. 2011 starb sie im Alter von 94 Jahren in Beverly Hills.
(Kalle Somnitz - biograph)
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