James Bond 007 – Keine Zeit zu sterben
USA, Großbritannien 2020, Laufzeit: 163 Min., FSK 12
Regie: Cary Joji Fukunaga
Darsteller: Daniel Craig, Ana de Armas, Rami Malek, Dali Benssalah, Léa Seydoux, Ralph Fiennes, Naomie Harris
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Daniel Craigs finaler Auftritt als 007
Back to work
„James Bond 007 – Keine Zeit zu sterben“ von Cary Joji Fukunaga
James Bond (Daniel Craig) hat den Dienst quittiert und macht sich einen schönen Lenz mit Madeleine (Léa Seydoux). Zurzeit leben sie in der italienischen Traumkulisse, die Welt steht ihnen offen. Amore! Doch beide holt die Vergangenheit ein. Bond kämpft gegen Blofelds Walten, Madeleine gegen ihr Kindheitstrauma, beide kämpfen für und wider die Liebe, Bond ringt um Vertrauen. Und, klar: 007 muss nebenbei die Welt retten, diesmal vor dem rachsüchtigen Lyutsifer Safin (etwas blass: Rami Malek). Und dafür braucht es natürlich die Lizenz zum Töten zurück.
Nach Sam Mendes führt Cary Joji Fukunaga („Sin Nombre“, „Jane Eyre“, „True Detective“) Regie. Das Ergebnis ist erst einmal spektakulär und engagiert: Ein guter Bond. Zwischendurch verliert das bisher längste 007-Abenteuer (163 Minuten) auch mal an Tempo, ansonsten aber überzeugt es weitestgehend ausgewogen mit Drama-, Thriller- und Actionanteil. Und die Actionszenen sind, anders als zuletzt in „Spectre“, durchweg superb und, vom sonnigen Matera bis ins norwegische Hinterland, in prächtige Settings verortet. Weil um den verschobenen Kinostart herum so viel über alles Mögliche diskutiert wird, gerät beinahe in Vergessenheit, dass „Keine Zeit zu sterben“ der 25. Bond-Film der offiziellen Reihe ist. Dem Jubiläum wird dann auch mit allerlei Zitat Rechnung getragen. Hans Zimmer verantwortet den Score und wandelt dabei ungewöhnlich demütig auf John Barrys Spuren: Seine Untermalung gerät elegant, oldschool und für Zimmers Verhältnisse unaufdringlich. Erfrischend ist die Zuarbeit der Co-Autorin Phoebe Waller-Bridge („Fleabag“), die den bisher eher nüchternen Craig-Auftritten jetzt spürbar großartige humoristische Akzente einverleibt. Waller-Bridge ist übrigens nach knapp sechzig Jahren tatsächlich die erste Frau, die Hand an ein Bond-Script legen darf. Da ist definitiv noch Luft nach oben – gern auch bis hin zum Regiestuhl!
Apropos: Fukunaga gibt sich redlich Mühe, Bond so emotional wie nie zu färben. Nachdem er kürzlich noch den Connery-Bond als Vergewaltiger betitelte, wundert es nicht, wenn er hier versucht, den harten Kern des Agenten porentief weichzuspülen. Dabei geht er definitiv zu weit. Irgendwann hat Craig nur noch feuchte Augen, irgendwann findet sich Bond in der Kleinfamilie wieder. Die coole Sau ist jetzt nicht mehr Bond, sondern die zuerst völlig unscheinbare Agentin Paloma (grandioser Kurzauftritt: Ana de Armas). So wie die zwei Bondfilme mit Timothy Dalton zu aufgesetzt kühl erschienen, kommt „Keine Zeit zu sterben“ zu aufgesetzt menschlich daher. Das Engagement Fukunagas für eine (vermeintlich) weibliche Perspektive in allen Ehren – eine Frau im Regiestuhl hätte das vermutlich subtiler hinbekommen. Jetzt ist Bond monogam bis zölibatär, und wir fragen uns, ob nicht auch wehrbaren Geschlechtspartnern Spontansex zugestanden werden darf. Hier jedenfalls nicht.
Nun, was bleibt von der Ära Craig? Bond erfährt mehr Tiefgang, 007 ist erwachsener geworden, „Skyfall“ wurde gar als „Bond für Frauen“ tituliert. Craigs Bond nähert sich, nach Moores und Brosnans Schelmereien, wieder Connerys Ernsthaftigkeit an, allerdings weniger distanziert. Begegnet Craigs Version den Ladies zynisch oder verbittert, dann passiert dies motiviert. Motiviert aus einem Leid heraus, aus einer Verletzung, aus einem gebrochenen Herzen. Das verzeiht ihm selbst ein „Bitch!“, das er Vesper Lind nachruft. Craigs Bond ist greifbarer geworden, verletzlicher. Und anders als bei Timothy Dalton wirkt das nicht aufgesetzt, sondern organisch und glaubwürdig. Zugleich hätte Craig bei aller Ernsthaftigkeit insgesamt durchaus mehr Humor vertragen können.
Jeder Bond ist das Kind seiner Zeit. Das gilt auch für die Ära Craig. Sei es im Hinblick auf Action und Figurentiefe, sei es bezüglich Männerbild und Frauenbild. Man kann den Sexismus vergangener Bond-Jahre analysieren und kritisieren, es ist aber viel zu spät, ihn zu skandalisieren. Auch narrativ gehen Craigs Bondfilme neue Wege. Indem sie 2006 ganz frech als Prequel an den Start gehen. Indem sie innerhalb der Pentalogie einen großen, epischen Bogen spannen. Konstanten sind nicht weiter bloß gebunden an die tragenden Figuren, sondern auch an deren Innerlichkeit.
Trotzdem bleibt der Wehmutstropfen: Bei aller Qualität überspannt „Keine Zeit zum Sterben“ den Bogen. Daniel Craig hat in seinen letzten Auftritten als Co-Produzent spürbar Mitspracherecht. Und so, wie er hier den Deckel zumacht, ist das nicht nur in mehrerer Hinsicht radikal, sondern auch (überflüssiger) Tabubruch – und darf durchaus als ein hohes Maß an Eitelkeit ausgelegt werden. Aber was soll’s. Wir mochten Craig. Und: „James Bond will return“. Die nächste Mission, die Suche nach dem Nachfolger, ist schon längst im Gange. Oder, um es mit M zu sagen: „Right. Back to work.“
(Hartmut Ernst)
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