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Lichter

Lichter
Deutschland 2002, Laufzeit: 105 Min., FSK 12
Regie: Hans-Christian Schmid
Darsteller: August Diehl, Herbert Knaup, Julia Krynke, Henry Hübchen, Maria Simon, Janek Rieke, Zbigniew Zamachowski, Aleksandra Justa, Malusia Zamachowski, Devid Striesow, Claudia Geisler, Sebastian Urzendowsky, Alice Dwyer, Martin Kiefer, Thomas Jahn, Ivan Shvedoff, Sergej Frolov, Anna Janowskaja

Schon Andreas Dresen machte in "Halbe Treppe" das Frankfurt des Ostens zum Schauplatz einer schneidend präzisen filmischen Bestandsaufnahme. Hans Christian Schmid ("23", "Crazy") folgt ihm mit eigener bestechender Konsequenz nach. "Short Cuts" an der Oder. Lebensgier und Verzweiflung an einer der symbolträchtigsten Grenzen Europas. Frankfurt auf dieser Seite der Oder, Slubice auf der polnischen Seite. Transitgebiet. Anziehungspunkt für Schlepper, Zigaretten-Schmuggler, windige Investoren. Anlaufstelle für heimatlos gewordene Menschen aus dem Osten, die den Fluss überqueren wollen, voll verzweifelter Hoffnungen, betrogen um ihr letztes Erspartes. Der LKW-Fahrer setzt sie irgendwo ab und sagt: "Ihr versteckt Euch jetzt den ganzen Tag im Wald. Wenn es dunkel wird, geht ihr bis zu den ersten Lichtern." Er versichert den ungläubig Fragenden, sie seien bereits in einem Vorort Berlins. In Wirklichkeit sind sie nur kurz vor Lubice. Die Lichter des Westens werden für die meisten von ihnen unerreichbar bleiben. Umgekehrt ein Strom von Besuchern aus dem Westen, denn drüben ist vieles billiger: Benzin, Friseur, Prostituierte, Zahnersatz. Hier trifft - fast nur einen Steinwurf voneinander entfernt - Armut auf Reichtum, sozusagen im europäischen Maßstab. Aber Frankfurt/Oder hat seit der Wende 18.000 Einwohner verloren, Slubice ist dagegen eine florierende Kleinstadt mit 150 Friseusen, 250 Taxifahrern und 400 Huren. Verkehrte Welt. Ein Ort, der die wirklichen Zustände widerspiegelt wie durch ein Brennglas. Hans-Christian Schmid taucht mit seiner ständig den Bewegungen der Menschen folgenden Kamera ein in dieses ergiebige Spannungsfeld, folgt im Stile Robert Altmans einer Handvoll Personengruppen, deren Schicksale sich innerhalb von 48 Stunden in dramatischer Weise entwickeln. "Die Figuren müssen kämpfen", sagt der Regisseur, "immer weiter kämpfen und geben trotzdem nicht auf. Egal ob es um Kleinigkeiten wie ein Kommunionskleid oder - wie im Falle der Flüchtlinge au der Ukraine - um Leben und Tod geht. Ich empfinde für diese Menschen, die so für ihr Glück kämpfen, eine sehr große Sympathie." Schmid und seinem Ko-Autor Michael Gutmann (der mit ihm zusammen auch die Drehbücher zu seinen Filmen "Nach fünf im Urwald", "23" und "Crazy" geschrieben hat) gelingt es, die Erzählstränge fest in den Händen zu behalten. Gebannt folgt man den Geschichten, an keiner Stelle reißt der Spannungsbogen. Trotz des fast niederschmetternden Verlorenseins der Figuren - ein Kritiker schrieb nach der Uraufführung bei der diesjährigen Berlinale: "Seit 'Angst' von Rosselini 1953 gab es keinen deprimierenderen Film über bundesrepublikanische Wirklichkeit" - schimmert doch immer so etwas wie Hoffnung, Einsicht, Glück hindurch. Das ist insbesondere dem herausragenden Darstellerteam zu verdanken, das unter der Leitung einer der markantesten Regie-Persönlichkeiten des jüngeren deutschen Films zur Glanzform aufläuft. Diesen Menschen folgt man in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit, in dieser herzzerreißenden Unfähigkeit, das Leben zu meistern, und fühlt sich unmissverständlich gedrängt, in emphatischer Weise mit zu fühlen, ihre Ängste und Sorgen, Illusionen und ernüchternden Selbsterkenntnisse zu teilen.

(Heinz Holzapfel)

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