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Lieber Frankie
Großbritannien 2004, Laufzeit: 105 Min., FSK 0
Regie: Shona Auerbach
Darsteller: Emily Mortimer, Jack McElhone, Gerard Butler, Sharon Small, Mary Riggans, Jayd Johnson, Sean Brown, Anne Marie Timoney, Cal Macaninch

Eine wohlmeinende Mutter versucht, den davon gelaufenen Vater ihrs Sohnes in Form von Dutzenden von Briefen zu kompensieren, die sie in dessen Namen an ihren Sohn adressiert. Um jedoch dem immer deutlicher werdenden Bedürfnis ihres Kindes gerecht zu werden, seinen Vater auch einmal zu sehen, heuert sie einen Mann von der Straße an, die Vaterrolle für einen Tag zu übernehmen. Ein nachdenklich stimmendes Vergnügen Leicht kann es auf einem lärmenden Mammutfestival der A-Kategorie passieren, dass ein Film, der alle Qualitäten eines kleinen Meisterwerks hat, aber mit subtilen Mitteln, stiller Sensibilität und unverfälschter Beobachtung wirkt, nicht an die Oberfläche der Tagesaufmerksamkeit dringt. So geschah es Shona Auerbachs Film "Dear Frankie" in der "Un Certain Regard" betitelten Sektion Cannes. In einer für ein Erstlingswerk erstaunlichen Sicherheit widmet sich ihr Film einem rar behandelten, aber faszinierenden Thema: der Weisheit eines Kindes in einer von Vor- und Verstellungen geprägten Erwachsenenwelt. Mit ihrem Film widerspricht die Regisseurin der fatalen Annahme der Erwachsenen, dass Kinder noch nicht verstehen. Das gut gemeinte Lügengerüst aus den vermeintlichen Briefen an den Vater, kann die Mutter zwar noch aufrecht erhalten, als sie Frankie mit dem vermeintlichen Vater in persona konfrontiert. Doch als der Fremde echte Gefühle für sie und den Jungen entwickelt, gerät sie in Panik. Umso mehr, als plötzlich der reale Vater wieder auftaucht und seine Rechte einfordert. Die ohne Sentimentalbass und überzogene Höhen auskommende, aus der Hand Andrea Gibbs ("After Live") stammende Story wird von Shoha Auerbach kongenial und mit Gespür für situative Poesie in Szene gesetzt. Das Panorama der Anziehung und Abstoßung wird von Emily Motimer (Mutter) und Gerard Butler (der Fremde) bis in feinste Nuancen ausgeschöpft. "Dear Frankie" gibt nicht zuletzt Zeugnis von schlummernden kreativen Energien, die plötzlich aufbrechen, wenn der emotionale Rahmen stimmt, und ist eine überzeugende Gegenthese zur üblichen Nachordnung freundschaftlicher Gefühle gegenüber familiären. Die selbst verschriebene und daher umso schwieriger zu durchbrechende Einsamkeit der jungen Frau ist eine Identifikationsfolie, die wohl nicht wenige Zuschauer/innen unmittelbar ansprechen wird. In diesem Film vermag nur eine Person die Situation souverän zu meistern: ihr Sohn.

(Dieter Wieczorek)

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