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Love

Love
Belgien, Frankreich 2015, Laufzeit: 130 Min., FSK 18
Regie: Gaspar Noé
Darsteller: Karl Glusman, Aomi Muyock, Isabelle Nicou, Gaspar Noé
>> www.alamodefilm.de/kino/detail/love-3d.html

Explizit inszeniertes Beziehungsdrama

My Dick has no Brain
„Love“
von Gaspar Noé

Menschenfeind“, „Irreversibel“, „Enter the Void“ – der argentinische Regisseur Gaspar Noé war nie ein Kind von Traurigkeit und inszenierte seine Dramen durchweg explizit. Gleichermaßen in Hinblick auf Gewalt und Erotik. Eigentlich kein Wunder, dass er nun mit einem Arthouse-Porno aufwartet.

Junger, wilder Mann liebt junge, leidenschaftliche Frau, der Mann geht fremd, die Affäre wird schwanger, die Beziehung zerbricht daran. Es fällt leicht wie selten, den Inhalt in einen Oneliner zu meißeln. Noés Geschichte von Murphy, Electra und Omi ist profan. Und auch dass der Regisseur die Zeitebenen verschachtelt montiert, täuscht nicht darüber hinweg. Nach „Enter the Void“, der ungleich phantasievoller und umfassender in seine Figuren eintauchte, der seinen Trip durch den Tod seines Helden mit subjektiver Kamera zu einem opulenten, brodelnden Sog gestaltete, nimmt sich Noé hier auch gestalterisch zurück. Geblieben sind die wiederkehrenden Blinzler des Bildes in kurze Blacks und die Vagina-Kamera. Allerdings gibt es Letztere diesmal in 3D. Und das ist den Aufpreis durchaus Wert, und wir beziehen uns hier nicht das Sperma, das uns so ungemein plastisch entgegen spritzt. Ja, Noé nimmt sich narrativ ebenso zurück wie inszenatorisch. Womit dieser Film heraus sticht, das ist die Provokation. Wobei die freizügige Inszenierung Noé offensichtlich ein ehernes Anliegen ist. So erzählt Murphy seiner Electra, er träume davon, einen Film machen, in dem Sexualität sinnlich dargestellt wird. Und er spricht seinem geistigen Schöpfer unverfälscht aus dem Mund. “I wanna make movies about blood, sperm and tears“, so Murphy weiter. Denn Blut, Sperma und Tränen seien die Essenz des Lebens.

Die drei Hauptdarsteller Karl Glusman, Aomi Muyock und Klara Kristin feiern den Sex in vielerlei Stellungen und Konstellationen. Freizügig und ungehemmt. Intensiv und explizit. Der Freiwilligen Selbstkontrolle ging das zu weit, sie unterstellte dem Film nach erster Prüfung eine schwere Jugendgefährdung und wollte ihn nicht ungeschnitten fürs Kino frei geben. Ein peinliches, lächerliches Urteil. Denn trotz schwacher Story ist Sex hier nicht Selbstzweck noch ist das Werk auf Pornografie reduziert noch ist das Ganze hier moralisch verwerflich. Man könnte dem Film höchstens Machismen nachsagen, weil er ausschließlich männliche Orgasmen inszeniert. Das ist aber auch schon alles. Vielleicht ist Noé ein Macho. Vielleicht will er provozieren. Zugleich aber widmet sich die Intensität seines Werks mit Hingabe den Emotionen seiner Figuren. Und zwar allumfassend und nicht etwa bloß, wenn sie im Bette zugange sind. Der Film erzählt ebenso leichtfüßig und romantisch von der ersten Anbändelung seines Paares, wie er nach dem Fehltritt Murphys äußerst schmerzhaft Reue, Groll und Verzweiflung in Szene setzt. „Love“ ist nicht nur Porno. „Love“ ist auch nicht bloß Porno mit Handlung. „Love“ ist ein pornografisches Drama, das berührt. Das hat mittlerweile womöglich auch die FSK erkannt, die inzwischen nachgab und das Drama ungeschnitten auf die Leinwand loslässt.

Erneut gelingt Gaspar Noé, unvergleichlich zu bannen. Wieder entspricht die Reise seiner Protagonisten einem traurigen Sog. Vielleicht ist „Love“ keine Offenbarung. Aber er ist besonders. Und unverwechselbar noésk.

(Hartmut Ernst)

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