Séraphine
F/B 2008, Laufzeit: 108 Min.
Regie: Martin Provost
Darsteller: Yolande Moreau, Ulrich Tukur, Anne Bennent, , Geneviève Mnich, Nico Rogner, Adélaïde Leroux, Serge Larivière, Françoise Lebrun, Anne Benoît, Léna Bréban
Anfang des 20. Jahrhunderts: Séraphine ist Putzfrau und Haushälterin. Nebenbei malt sie leidenschaftlich. Schließlich wird ein Kunstkritiker auf sie aufmerksam.
Séraphine Louis, auch Séraphine de Senlis genannt, ist eine gottesfürchtige Frau und eine große Naturliebhaberin. Bildung hat sie keine genossen, und auch sonst würde man die wortkarge und zurückgezogen lebende Frau eher als schlichtes Gemüt bezeichnen. Doch sie drückt sich auf eine ganz andere und sehr faszinierende Art aus: Séraphine malt. Als sie knapp 50 Jahre alt ist, entdeckt der Kunstsammler und -kritiker Wilhelm Uhde (Ulrich Tukur) die Bilder der in armen Verhältnissen lebenden Putzfrau, die sich während seines Aufenthaltes auf dem Land um Uhdes Haushalt kümmert. Während die einzelgängerische Séraphine von den meisten Einwohnern der Kleinstadt nur Spott erntet, erkennt Uhde ihre malerischen Fähigkeiten sofort und unterstützt sie. Doch der Beginn des Ersten Weltkriegs verhindert eine weitere Förderung von Séraphines Talent durch den deutschen Kunstliebhaber. Erst lange nach dem Krieg kreuzen sich die Wege der beiden wieder: Uhde, der in der Nähe von Senlis in einem Landhaus wohnt, erinnert sich durch eine Ankündigung einer Ausstellung an Séraphine. Als er dort Bilder von ihr sieht, ist er ebenso erstaunt, dass sie noch lebt, wie er von den nun bedeutend expressiveren Bildern begeistert ist. Erneut unterstützt er die begabte Künstlerin, die nun erstmals finanziell wohlhabender leben kann. Doch gerade als sich der Erfolg einstellt, kippt ihre sie künstlerisch antreibende Religiosität zunehmend in eine mit der Gesellschaft kollidierende Verhaltensweise. Sie verprasst ihr Geld und erzählt wirres Zeug. 1932 wird sie schließlich in eine Nervenheilanstalt eingewiesen, in der sie zehn Jahre später im Alter von 78 Jahren stirbt.
Martin Provost ist ein sehr zurückhaltendes Portrait einer eigenwilligen Künstlerin gelungen. Die unaufdringlichen, wenngleich sehr atmosphärischen Naturaufnahmen, das unspektakuläre Agieren der Darsteller und die wenige, gezielt eingesetzte Musik verströmen Faszination für die Figur und die Szenerie, ohne in Verherrlichung zu verfallen. Anders als die ruhigeren Bilder des wohl bekanntesten Naiven – Henri Rousseau – entfalten die Bilder von Séraphine eine kleinteilige Dynamik, die einen regelrechten Sog beim Betrachter auslösen kann. Der Film versucht nicht, diese suggestive Kraft der Gemälde ästhetisch aufzugreifen, sondern bleibt ruhig, aber genau in der Darstellung. Alleine Yolande Moreau verkörpert die innere Dringlichkeit der Malerin. Wenn sie durch die Natur streift und Erde, Blüten und Früchte sammelt, um die für sie im Geschäft nicht erschwinglichen Farben zu produzieren (aber auch, weil es ihre ganz speziellen Naturfarben sind), dann sehen wir eine kraftvolle und zielgerichtete Séraphine. Nach ihrer Leistung in „Louise hired a Contract Killer“ und der Nebenrolle in Jean-Pierre Jeunets neuem Film „Micmacs“ demonstriert sie hier wieder einmal eindrucksvoll, dass sie zurzeit eine der erstaunlichsten Schauspielerinnen nicht nur Frankreichs ist.
(Christian Meyer)
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