Taxi Teheran
Iran 2015, Laufzeit: 82 Min., FSK 0
Regie: Jafar Panahi
Darsteller: Jafar Panahi
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Tragikomischer Querschnittsfilm
In den eigenen vier Türen
„Taxi Teheran“ von Jafar Panahi
Das Prinzip des Films ähnelt dem Film „Ten“ (2002) von Abbas Kiarostami, dem Landsmann und Lehrer von Jafar Panahi: Panahi sitzt am Steuer eines Taxis und fährt durch Teheran. Es steigen Gäste ein und wieder aus, zuweilen fahren mehrere Gäste mit, die sich untereinander nicht kennen. Sie teilen sich ein Stück weit das Taxi, so wie es in vielen Entwicklungsländern üblich ist. Sie unterhalten sich miteinander, reden auch mit dem „Taxifahrer“, den einer sogar als den berühmten Regisseur erkennt. Zwei Frauen mit einem Goldfisch, ein Verletzter und eine mit Panahi befreundete Anwältin steigen ein, und zwischendurch muss der Regisseur seine Nichte von der Schule abholen. Gefilmt wird mit zwei kleinen Kameras, die am Armaturenbrett befestigt sind, zusätzlich kommt die Kamera der kleinen Nichte zum Einsatz. Aus dem durchweg inszenierten Material – „Taxi“ ist keine Dokumenation“ – hat Panahi einen Querschnittsfilm editiert, in dem das Private und das Politische quer durch die gesellschaftlichen Schichten diskutiert wird.
Fanal des Widerstands
Auf der diesjährigen Berlinale war Jafar Panahis ‚kleiner‘ Film „Taxi“ zwischen den vielen großen Dramen des Wettbewerbs schnell ein Favorit. Als „Taxi“ dann tatsächlich den Goldenen Bären gewann, stand ebenso schnell die Frage im Raum, inwieweit der politische Kontext bei der Preisvergabe an den iranischen Film eine Rolle spielte. Denn Jafar Panahi ist nicht irgendein Regisseur, und die Berlinale hat schon länger ein besonderes Verhältnis zu dem Filmemacher: Im Jahr 2006 lief hier sein ungewöhnlicher Fußballfilm „Offside“ und gewann den Silbernen Bären. Im Jahr 2009 unterstütze Panahi die Grüne Bewegung im Iran, Anfang 2010 wurde er verhaftet und verbrachte drei Monate im Gefängnis. Weil er einen eigenen Anwalt forderte, ging er in Hungerstreik. Nach internationalen Protesten und der Zahlung einer Kaution von 200.000 Dollar kam er bis zum Prozess frei. 2010 wurde der Regisseur dann zu sechs Jahren Haft und 20 Jahren Berufs- und Ausreiseverbot verurteilt. Die Berlinale hat ihn daraufhin 2011 in die Wettbewerbs-Jury eingeladen. Sein Stuhl blieb bis zuletzt leer, die Aufsehen erregende Aktion verschaffte Panahi und seiner Situation aber eine weltweite Aufmerksamkeit.
Nach dem Urteil im Iran hat Panahi trotzdem unter den widrigen Bedingungen des Berufsverbots und seiner vorläufig als Hausarrest vollzogenen Haftstrafe zwei Filme in den eigenen vier Wänden gedreht, die wie nun auch „Taxi“ auf unterschiedlichsten Wegen außer Landes gebracht und auf internationalen Festivals gezeigt wurden: „This Is Not a Film“ von 2011 lief in Cannes und entfaltet anhand eines gewöhnlichen Tages im Leben des unter Hausarrest stehenden Panahi einen dokumentarischen Diskurs über Meinungsfreiheit und die Angst vor Verfolgung. Im Jahr 2013 folgte mit „Pardé“ Panahis erster Spielfilm seit „Offside“. Auch „Pardé“ lief 2013 in Berlin im Wettbewerb und gewann dort den Silbernen Bären. Der Film erzählt in teils surrealen, traumähnlichen Szenarien von einem Schriftsteller, der sich in einem Haus verschanzt hat und schließlich eine mysteriöse Besucherin empfängt. Irgendwann taucht auch in diesem Film Jafar Panahi als Jafar Panahi auf.
Guter Film in schlechten Zeiten
Auch in „Taxi“ spielt Panahi sich selbst. In seinem neuen Film wagt er sich aber erstmals mit der Kamera vor die Tür, und es sind zunächst auch schlicht die Bilder von den Straßen Teherans, die einen fesseln: Wir sehen den Alltag in einem Land, dessen Alltag für uns hinter dem politischen Drama des Landes weitgehend verschwindet. Im Inneren des Taxis schleichen sich durch die Gespräche nur langsam die Themen des Films ein: politischer Widerstand, Repression, Überwachung, Zensur. Mehrmals klettert der Film auf die Metaebene des Filmemachens: Ein erstes Mal, wenn ein Fahrgast den Fahrer erkennt und ihm zu seinen Filmen gratuliert, um ihm kurz darauf DVD-Raubkopien anzubieten. Ein weiteres – und dies ist unverkennbar einer der Höhepunkte des Films – wenn seine kleine Nichte von einem Filmprojekt in der Schule erzählt: Die iranischen Gebote für das Filmemachen, die die Lehrerin im Unterricht vorgibt (und die natürlich die gleichen Gebote bzw. Verbote sind, mit denen auch Panahi zu kämpfen hat), zerlegt sie mit entwaffnend kluger, kindlicher Dialektik.
Bei aller Tragik der Situation und tiefe der Diskussion: Es ist die große Kunst Panahis, dass er von all dem mit Leichtigkeit und Humor erzählt. Der Film ist ein Fanal des Widerstands und der Hoffnung, der seinen Widersachern trotz aller Gefahr mit einem Lächeln im Gesicht entgegentritt. Es ist daher kaum möglich, diesen Film, der eine Geste des Widerstands ist, nur als Film zu sehen (vor allem, weil der Film am Schluss in einem unauflösbaren, augenzwinkernden Widerspruch auch wieder so ein Statement wie „This Is Not a Movie“ verkündet). Insofern spielte bei der Preisvergabe auf der Berlinale natürlich der Kontext eine Rolle. Doch ebenso liegen die Qualitäten des Films auf der Hand. Dass muss man erst einmal schaffen – ein solches Thema unter solchen Bedingungen dermaßen unterhaltsam, locker und zugleich klug zu verhandeln. „Taxi Teheran“ ist ein guter Film in schlechten Zeiten.
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