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The Master

The Master
USA 2012, Laufzeit: 137 Min., FSK 12
Regie: Paul Thomas Anderson
Darsteller: Joaquin Phoenix, Philip Seymour Hoffman, Amy Adams
>> www.themaster.senator.de/

Psychogramm einer ungewöhnlichen Freundschaft

Bessere Menschen
The Master“ von Paul Thomas Anderson

Eine Strandszene: Junge Männer sitzen herum, lachen. Doch es ist keine entspannte Urlaubsszene, die den neuen Film von Paul Thomas Anderson („Magnolia“, „Punch-Drunk Love“, „Boogie Nights“, „There Will Be Blood“) einleitet: Wir sehen Marines am Ende des Zweiten Weltkriegs, wahrscheinlich auf einer Insel im Pazifischen Ozean. Erleichterung, aber auch Ungewissheit spiegelt sich in ihren Gesichtern. Einer von ihnen wirkt hingegen nicht nur ver-, sondern regelrecht gestört. Es ist Freddie Quell (Joaquin Phoenix), und er hat ordentlich getankt. Er beginnt, aus Sand eine Frauenfigur zu bauen. Während ihn seine Kameraden anfeuern, formt er die Brüste und Schenkel. Schließlich besteigt er die weibliche Sandburg und legt ungeniert los. Seine Kameraden wenden sich irritiert von ihm ab. Zurück in der Heimat, versucht Freddie, ins Leben zurückzufinden. Aber der Alkohol führt unweigerlich in die Verwahrlosung. Anfänglich hat er noch einen Job als Fotograf in einem Kaufhaus, aber seine Ausraster führen zu einem langsamen, aber sicheren Abstieg. Schließlich landet er per Zufall als blinder Passagier auf einer noblen Yacht, wo gerade eine Hochzeit gefeiert wird. Die ungewöhnliche Gesellschaft wird angeführt von Lancaster Dodd (Philip Seymour Hoffman). Dodd hat eine quasireligiöse Philosophie entwickelt und behauptet, seelische und körperliche Krankheiten durch Hypnose heilen zu können. Der ungeschliffene, latent aggressive Freddie ist für ihn ein Glücksfall, kann Dodd seine Methode doch an diesem Paradebeispiel von Kontrollverlust erproben. Und so wird der blinde Passagier nicht von Bord geschmissen, sondern im Gegenteil in die Gesellschaft aufgenommen und schnell zu Dodds Lieblingsjünger.

Optimierungsgedanke

Paul Thomas Andersons Portrait der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft verströmt viel Zeitkolorit. Anderson rückt kein einschlägiges dramatisches Ereignis ins Zentrum seines Films. Er fokussiert die Beziehung zweier Menschen und bleibt damit thematisch abstrakt. „The Master“ hat auch keinen klassischen Spannungsbogen und nur kleinere dramatische Höhepunkte. Natürlich fließen die unterschiedlichsten Themen in den knapp 140minütigen Film ein. Ganz allgemein skizziert Anderson eine Zeit, in der viele Menschen nach Orientierung und Sinnstiftung suchen. Diese Unsicherheit bietet einen Nährboden für Sekten und neue Glaubensgemeinschaften aller Art. Deutlich ist im Film sicherlich der Bezug zu L. Ron Hubbard, den Gründer von Scientology. Es finden sich einige Parallelen zwischen Hubbards Lehre der Dianetik und Dodds Thesen, seinem Versuch, die Ursache psychosomatischer Erkrankungen am reaktiven Verstand auszumachen und zu einer Reinheit des analytischen Verstands zu gelangen. Auch biografische Ähnlichkeiten findet man: Dodds Interesse an der Seefahrt – im Gegensatz zu Dodd hat Hubbard sogar eine Yacht gestohlen – und natürlich die Tätigkeit als Schriftsteller findet man ebenso bei Hubbard. Und dennoch ist „The Master“ weit davon entfernt, eine harsche Kritik an Hubbard oder Scientology zu sein. Anderson interessiert sich für den Ursprung und das Aufkeimen einer solchen Bewegung, die mit den unterschiedlichsten Ingredienzien einen besseren Menschen kreieren wollte. Und er interessiert sich für die unterschiedlichen Charaktere, die ein solcher Optimierungsgedanke anzieht.

Impulsive Gefühle
Das ist auch ohne Drama spannend: Die eindringliche Szene der ersten Therapiesitzung zwischen Dodd und Freddie gleicht einem psychologischen Machtkampf. Vielleicht treten hier nicht nur die beiden Figuren gegeneinander an, sondern auch ihre Darsteller. Denn mit Hoffman und Phoenix sind hier zwei Schwergewichte zu sehen, die mit ihrem raumfüllenden Auftreten nicht geizen. Phoenix hat während des gesamten Films Gelegenheit, die Palette vom charmant-schrägen Vogel über den impulsiv-aggressiven Maniac zu spielen. Hoffman hingegen gibt die meiste Zeit den souveränen Sympathen, der lockere Reden hält und stets alles im Griff zu haben scheint. Doch bei Widerständen tritt er aus der selbstsicheren Gelassenheit heraus und zeigt impulsive Gefühle. Alleine die immer im Hintergrund agierende junge Frau von Dodd wahrt stets die Haltung. Peggy (Amy Adams) – Ähnlichkeiten zu L. Ron Hubbards späterer, dritter Ehefrau Mary Sue sind wohl auch nicht zufällig – lenkt die Geschicke von „The Cause“ mehr, als man denkt. In der Rolle der unscheinbar Unnachgiebigen überzeugt sie ebenso wie Phoenix und Hoffman. Alle drei sind für einen Oscar nominiert.

Die spannende und faszinierende Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei extrem unterschiedlichen Männern, die sich in einem unbestimmten Abhängigkeitsverhältnis befinden, hat Anderson stilecht auf 70-mm-Film gedreht. Ein Format, das in den 50er und 60er Jahren für Filme wie „Ben Hur“, „West Side Story“ oder „2001: A Space Odyssey“ verwendet wurde. Die kräftigen Bilder, die tolle Ausstattung und nicht zuletzt die großartigen Darsteller versetzen den Zuschauer in diese Zeiten des Aufruhrs.

Hollywood Filmfestival: Beste Nebenrolle: Amy Adams

(Christian Meyer)

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