Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war
Deutschland 2022, Laufzeit: 116 Min., FSK 12
Regie: Sonja Heiss
Darsteller: Devid Striesow, Laura Tonke, Camille Loup Moltzen
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Wundervoll tragikomische Romanadaption
Aus dem Leben
„Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ von Sonja Heiss
Joachim Meyerhoff wächst mit seinen beiden älteren Brüdern auf dem Gelände einer Kinder- und Jugendpsychiatrie in Schleswig-Holstein auf, sein Vater ist Leiter der Institution. Kindheit und Jugend sind geprägt vom Alltag mit den Patient*innen. Später, als Theaterschauspieler und Regisseur, wird Meyerhoff sein Vergangenheit in autobiografische, episodische Dramen für die Bühne gießen. Ab 2011 veröffentlicht er sie in Romanform. Die tragikomischen Bücher, die gewitzt, traurig, poetisch und lebensnah erzählen, werden begeistert aufgenommen. Mit „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ kommt nun sein zweiter Roman des Zyklus‘ auf die Leinwand.
Die Regisseurin Sonja Heiss legt 2005 mit „Hotel Very Welcome“ ein ebenso amüsantes wie unangenehm authentisches Drama über westliche Besucher in indischen Gefilden hin. 2015 dann: „Hedi Schneider steckt fest“. Laura Tonke verkörpert darin eine Mittdreißigerin, die sich plötzlich selbst entfremdet und von Angst und Panik heimgesucht wird. Auch hier umkreist Heiss ihre Protagonistin wundersam gelungen so komisch wie tragisch. Jetzt verfilmt sie Meyerhoffs Kindheit und Adoleszenz. Laura Tonke übernimmt die Rolle der Mutter, Devid Striesow spielt den Vater. Auch in diesem Drama reichen sich Glück und Leid mal munter, mal schmerzvoll die Hand. Und Heiss versteht es erneut, das Ganze wundervoll im Gleichgewicht zu halten.
Am Anfang, im Jahr 1974, ist Joachim ein kleiner Junge, dem im Kosmos der Psychiatrie regelmäßig Besonderes widerfährt. Der von seinen zwei älteren Brüdern regelmäßig bis in die Tobsucht gestriezt, von der Mutter übermuttert, vom Vater mal fürsorglich begleitet, mal bitter enttäuscht wird. Dessen Mutter in Wehmut und unerfüllter Sehnsucht nach Italien und Vergangenheit versinkt, während der Vater in Perfektionswahn und emotionalem Defizit versickert.
Das Drama folgt Joachim und den familiären Konflikten bis ins Jahr 1996. Sonja Heiss führt den Zuschauer von der ersten Szene an ganz leichthändig durch Tage und Dekaden. Dabei verzichtet sie dankbar auf pointierte Selbstreflexionen des Protagonisten aus dem Off, die die literarische Vorlage zuhauf angeboten hätte. Nicht zuletzt dadurch bleibt die Lektüre des Romans auch nach Sichtung des Films lohnenswert. Heiss feiert den Moment, Emotion und Inszenierung ersetzen den Kommentar. So lebensnah Heiss erzählt, so bettet sie ihr Drama zugleich in eine versöhnliche Kuscheldecke. Doch ist sie dabei nie verklärt. Den Schmerz, die Konflikte, die ihre Charaktere hier durchleiden, werden nie künstlich, kitschig, stilisiert vermittelt. Das Drama berührt, es tut weh, aber es bleibt wohltemperiert, ein warmes Drama. Vergleichbares gelang zuletzt Caroline Link mit ihrer Adaption von Hape Kerkelings Biografie „Der Junge muss an die frische Luft“.
Beide Filme stehen und fallen nicht zuletzt durch die Darsteller. Merlin Rose, der Meyerhoff als 25-Jährigen verkörpert, hat nicht mehr viel Spielzeit im Schlussakkord, und so überzeugen vor allem Camille Loup Moltzen als siebenjähriger und Arsseni Bultmann als 14-jähriger Joachim. Erwähnt werden muss die außerordentlich gelungene Einbindung von Patient*innen mit geistiger Behinderung. Und Laura Tonke verkörpert erneut erschütternd traurige Verirrung, während Devid Striesow als Vater ebenso liebens- wie hassenswert ist. Eben dort liegt auch die Stärke derlei Formate in Schrift und Bild: In der gespiegelten Ambivalenz der Individuen und in ihrer (familiären) Verbundenheit, die Schmerz, Verletzung und Verfehlung überwindet.
Die Ausstattung erschien manchen Kolleg*innen stilisiert, und dass man schon 1983 „Wie geil ist das denn?!“ gesagt hat, darf bezweifelt werden. Doch der Blick von Heiss gilt weniger äußeren Details. Er gilt dem, was zählt im Leben.
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