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Hoch dekoriert, kaum gesehen

01. Juli 2009

Filmwirtschaft 07/09

Vor Wochen endete eines der größten Filmfestivals der Welt, die Festspiele Cannes. Um dem Festival ein großes Publikumsinteresse zu verschaffen, wurde die amerikanische Zeichentrickproduktion „Oben“ als Eröffnungsfilm gezeigt. Dass eine solche Produktion im Wettbewerb kaum eine Chance hätte, wissen alle Beteiligten, der Marketingeffekt hingegen ist immens und dürfte die finanzielle Gegenleistung aus Hollywood mehr als ausgleichen.

Doch was passiert mit den eigentlichen Gewinnern der Goldenen Palme im Kino? Und unterscheidet sich die Publikumsresonanz der Gewinner in Frankreich von der Akzeptanz an der Kinokasse des deutschen Pendants, des Goldenen Bären der Filmfestspiele Berlin? Das Branchemagazin „Blickpunkt: Film“ hat sich dieser Frage statistisch angenommen und dabei einen schmerzlichen Befund herausgearbeitet. Goldene Bären und Goldene Palmen sind im Regelfall ein publizistischer Riese, während die Filme im Kino häufig eine zu vernachlässigende Größe sind. In den vergangenen Dekaden konnten die Gewinnerfilme von Fellini „La Dolce Vita“, Robert Altmans „M.A.S.H.“ oder auch „Apocalypse now“ von Francis Ford Coppola ein Millionenpublikum erreichen. Dies ist in den letzten Jahren bis auf wenige Ausnahmen weder in Frankreich und Deutschland der Fall gewesen. Denn über 1 Million Besucher in Frankreich hatten die 6 Gewinner „Lügen und Geheimnisse“ von Mike Leigh, „Dancer in the Dark“ von Lars von Trier, „Chihiros Reise ins Zauberland“ und „Der Pianist“ von Polanski sowie 2008 der französische Film „Die Klasse“. Den höchsten Besuch überhaupt erreichte Michael Moores Dokumentarfilm „Fahrenheit 9/11“ mit 2,4 Millionen Besuchern in Frankreich. Auf der deutschen Seite sieht die Bilanz noch schwächer aus, weil es dort seit 1994 überhaupt nur zwei Filme gegeben hat, die ein Millionenpublikum erreichten: 1996 „Sinn und Sinnlichkeit“ von Ang Lee und ebenfalls „Fahrenheit 9/11“.

Doch es ist nicht nur ein Fehlen der Millionenfilme, es ist auch ein häufiges Unterschreiten gewisser Mindest-Besucherzahlen, die sowohl in Deutschland als auch in Frankreich bei einer Marke von 100.000 Besuchern liegt. So erreichten in Deutschland 9 der vergebenen 16 Goldenen Palmen nicht einmal 100.000 Besucher. Und während alle Cannes-Gewinner zumindest einen Verleih in Deutschland fanden, so sind seit 2002 drei Filme mit Goldenem Bären nicht in deutsche Kinos gelangt. Betrachtet man die Gesamtbesucherzahlen aller mit dem Goldenen Bär ausgezeichneten Filme im Ländervergleich, so zeigt sich, dass Frankreich mit 390.000 Besuchern sogar noch 20% über dem durchschnittlichen Besuch in Deutschland (320.000 Besucher) liegt. Bei dem Besuch der Goldenen Palmen ist das Verhältnis wesentlich dramatischer. In Frankreich besuchten durchschnittlich 890.000 Besucher die Gewinner der Goldenen Palme, während es in Deutschland nur 235.000 Besucher waren. Nun sind die Franzosen stets die häufigeren Kinogänger gewesen – und dies gilt natürlich besonders auch für die etwas anspruchsvolleren Filme. So gibt es deshalb auch nur sehr wenige Filme, in denen der deutsche Besuch über dem in Frankreich lag. Dies trifft auf die Filme „Im Namen des Vaters“ von Jim Sheridan, „Sinn und Sinnlichkeit“, „Magnolia“ von Thomas Anderson und „Gegen die Wand“ von Fatih Akin. Alle anderen Palmen- oder Bärengewinner waren in Frankreich erfolgreicher.

Vielleicht helfen die deutschen Darsteller und das deutsche Thema des soeben in Cannes ausgezeichneten Films „Das weiße Band“ von Hanecke, dass diesmal ein Palmengewinner in Deutschland ähnlich hohe Besucherzahlen wie in Frankreich erreicht.

Kim Ludolf Koch

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