Alle wollen sie wissen, woher sie kommen, wer sie sind, wo ihre Wurzeln liegen und was ihre Heimat ist. Eine kollektive Identitätskrise scheint ausgebrochen. So jedenfalls kann es einem Beobachter vorkommen, der sich die Programme der aktuellen Tanzproduktionen anschaut. In Köln geht vom 12. bis 16. Dezember das Festival tanz.tausch in der Alten Feuerwache und der TanzFaktur über die Bühnen. Ein guter Zeitpunkt für das Publikum, gibt es im Dezember doch keine Premieren in der Tanzszene. Hervorgegangen ist das Festival aus der ebenso listigen wie notwendigen Idee, sich gegenseitig Publikum zu beschaffen, indem man Produktionen untereinander tauscht. Kompanien aus dem Osten spielten im Westen und umgekehrt. Dieses strenge Muster wurde jedoch längst aufgebrochen. Gleich zur Preview des Festivals am 12. Dezember wird mit der Commedia Futura eine Gruppe aus Hannover am Rhein zu Gast sein, die in Zukunft eine feste Partnerschaft mit der Kölner Szene eingeht. In ihrer Choreografie „Tea/t for Two“ zeigen zwei Künstlerinnen aus Japan, wie reizvoll der körperliche Ausdruck von Tänzerinnen sein kann, die das fünfte und sechste Lebensjahrzehnt überschritten haben. Yumiko Yoshioka und Minako Seki haben in ihrer langen Zusammenarbeit eine eigene Körpersprache entwickelt, mit der sie einen erstaunlichen Grad an Expressivität entfalten.
Nach der eigenen Herkunft fragt auch Maura Morales in ihrer Produktion „Überfluss des Nichts“, deren Titel schon auf die lähmende Stagnation hinweist, in die Kuba durch Fidel Castros Sozialismus geraten ist. Morales wuchs in der Karibik auf und empfindet Kuba nicht als so friedlich und sorgenfrei, wie es die Touristen in ihrer Sehnsucht nach einer heilen Welt unter Palmen gerne sehen möchten. Weiter im Süden Lateinamerikas, genauer gesagt in Sao Paulo, hat Guilherme Miotto die Finessen des Urban Dance erlernt. Seine Choreografie „Even Worse“ karikiert liebevoll die Imponiergesten der Breakdancer. Ein fulminantes Trio inszeniert auf der Bühne der Feuerwache jenes Battle Behaviour, mit denen sich die Jungs auf der Straße gegenseitig herausfordern.
Guy Marsan, der seine Kindheit in Kanada verlebte und heute in Hamburg arbeitet, warnt sein Publikum schon einmal mit dem Hinweis: „In diesem Stück gibt es keine Nazis...“, und trotzdem geht es um Heimat. Der Titel lautet „Heim@Home“ und fragt nach der Heimat des Herzens, wo fühlt man sich wohl und wie oft zieht man in ein und derselben Stadt um? Ist die Heimat dann ein Häuserblock oder muss es eine Nation sein?
Auch wenn zu Weihnachten in Finnland gefeiert wird, so verstehen die Skandinavier doch unter Spaß etwas anderes als Besinnlichkeit. „Pikkujoulut“ nennen die Finnen jene Mischung aus Eishockey, Mud Wrestling und Tangotanzen, die Wildheit und Melancholie auf eine einmalige Weise miteinander verbindet. Marje Hirvonen und Nella Turkki präsentieren das Tanz-, Musik- und Performance-Spektakel, mit dem das Festival in sein Finale geht. Und damit die Finnen sich Zuhause fühlen können, plant man vor der TanzFaktur eine mobile Sauna zu installieren.
tanz.tausch | 12. - 16.12. | Köln: Alte Feuerwache, TanzFaktur | www.tanztausch.de
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