Es ist schon knapp zwei Jahrzehnte her, da wurde Thomas Quasthoff gebeten, zum G8-Gipfel in Köln für die Familie Clinton Brahmslieder zu singen – traurige Texte mit dunkelsüßer romantischer Musik. Das war natürlich ein ehrenwerter Auftrag und signalisierte den Stellenwert dieses Ausnahmesängers: Quasthoff als Sinnbild für die ungeheure Leistungsfähigkeit und Gestaltungskraft eines stark behinderten Künstlers, ein Beweis für das Gelingen des Unwahrscheinlichsten. Und der kleine Mann mit der relativ großen und besonders schönen Baritonstimme eroberte in der folgenden Zeit sogar die Opernbühne u.a. in Salzburg und Wien. All dies gelang ihm nur, weil er den besonderen Anforderungen im Leben eines Contergan-Geschädigten stets positiv begegnete. Quasthoff: „Ich habe kein Problem damit, auch wenn man über mich Witze macht. Frage: Was ist ein Rollstuhlfahrer vor zehn Kannibalen? Antwort: Essen auf Rädern. – Ich hab gelernt, über mich zu lachen.“
In einem Kölner Konzert mit seinem „Entdecker“ Till Brönner entpuppte sich Quasthoff als lockerer und sehr kontaktfreudiger Gastgeber, der nach dem ersten Titel das Sakko ablegte und ständig darüber witzelte, wie schön es sei, an diesem Abend einmal nicht den lästigen Konventionen des Klassikgeschäfts frönen zu müssen. So plauderte er locker über seine Erlebnisse mit „dem Kölner“, ein wenig frech, aber sehr ehrlich und spontan. Als er einen eigenen Kalauer nicht ganz so brillant fand, konterte er direkt: „Was ihr euch im Karneval so anhört, ist auch nicht besser: Alte Witze schlecht erzählt!“
Im Jazz wird sich geduzt, das ist klar, und natürlich viel improvisiert, zumindest im Livekonzert. Und Quasthoff zeigt zu diesen Gelegenheiten weitere Talente als einfallsreicher Musikclown mit ausgelassener Mundperkussion Marke Bobby McFerrin, mit dem er sich auch schon vokal duellierte, und überschäumenden Mumbels (eine improvisiert erfundene Scat-Sprache: Chichachoicessabadu) wie einst Clarke Terry. Da schüttelte manch gesittete Dame im Parkett amüsiert das greise Haupt: So ein Tausendsassa!
So wird es auch im wunderschönen Konzertsaal in der historischen Wuppertaler Stadthalle den Temperaturen entsprechend eher locker zugehen. Thomas Quasthoff, der schon lange vor seiner Berühmtheit mit Jazz um die Häuser zog, hat sich also auch nach seiner 2012 offiziell beendeten Sängerkarriere als klassischer Bassbariton den angeblich „leichteren“ Blue Notes verschrieben: Es schließt sich ein Kreis. Nur darf der Singer heute auf die erlesensten deutschen Starjazzer zugreifen, seine Freunde Frank Chastenier am Klavier, der nach 25 Jahren WDR Big Band just eine Auszeit nahm, die deutsche lebende Basslegende Dieter Ilg und der Drummer mit Führungsqualitäten Wolfgang Haffner. Das „Klavier-Festival Ruhr“ lud die „Fabulous Four“ als Wiederholungstäter ein, sie überzeugten bereits vor zwei Jahren ihr philharmonisches Publikum restlos.
Klavier-Festival Ruhr: Thomas Quasthoff (voc), Frank Chastenier (p), Dieter Ilg (b), Wolfgang Haffner (dr) | So 16.7. 20 Uhr | Stadthalle Wuppertal | 0202 45 45 55
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