Wie bekommt man das tanzinteressierte Publikum in die freie Szene? Auf diese Frage hat noch niemand eine schlüssige Antwort gefunden. In Köln ist das Problem relativ leicht zu diagnostizieren. Steht eines der Gastspiele internationaler Kompanien im Schauspiel oder in der Oper an, sind die Vorstellungen ausverkauft und der Jubel am Ende der Aufführungen zumeist grenzenlos. Von den Teenagern bis zu den Senioren bleibt das Interesse seit Jahren ungebrochen. Wenn die ansässigen Gruppen ihre Produktionen in der Stadt zeigen, lichten sich die Reihen aber meist schon nach der Premiere. Ein Grund liegt im Fehlen einer zentralen Spielstätte und der notdürftigen Ausstattung der weit über den Stadtplan verteilten Orte, an denen Tanz stattfindet.
Sobald jedoch an öffentlichen Plätzen oder Museen getanzt wird, sind die Publikumsmassen wieder zur Stelle. Der Hunger nach Tanz bleibt ungestillt, wie im letzten Jahr etwa Stefanie Thiersch mit ihrem „City Dance“-Projekt bewies, das auf Anhieb 5000 Neugierige auf die Straße lockte. Publikum zieht auch das Katalyst Festival, das in der Orangerie des Volksgartens seinen Platz gefunden hat, an dem es in diesem Jahr vom 22. bis 25. Juni zum fünften Mal veranstaltet wird. Der Erfolg hat sich eher zufällig eingestellt, als man mit Gregor Schwellenbach einen Musiker und DJ in die Konzeption einbezog, der Publikum aus der Musikszene anlockte. Als Erfolgsrezept entpuppten sich zudem die Dance-Battles „Street vs. Stage“, in denen Breakdancer von der Domplatte auf Tänzer mit internationaler Reputation treffen. Das junge Publikum überschwemmt bei diesen künstlerischen Auseinandersetzungen Garten und Halle der Orangerie geradezu.
Es geht also doch, man muss halt den Nerv der Kids treffen. Das Festival lebt von der Nähe zwischen Akteuren und Publikum, die sich auf dem Gelände am Volksgarten sofort miteinander vermischen. Eine gute Gelegenheit, um den Fächer der Tanzkunst aufzuspannen. Gilles Polet zeigt sein dramatisches Solo „Simurgh“, das die poetische Bildwelt der Sufis mit der Clubkultur unserer Tage verbindet. Susanne Grau präsentiert mit „Visitors“ und „Of F Light“ zwei Performances, letztere gemeinsam mit Michael Maurissens, der mit ihr gemeinsam die Welten vor und hinter der Kamera erkundet. Mit der Gruppe Moglebaum, einer Formation der Rheingeschwister Köln und Düsseldorf, findet die Musik am Eröffnungsabend ihren musikalischen Höhepunkt. Das Repertoire aus Soul und Pop flirtet beständig mit Soundexperimenten, die Alltagsklänge wie brodelnde Kaffeemaschinen oder kratzende Kakteen miteinander in Beziehung setzen.
Den Abschluss der Tanztage bietet die Cocoondance Company aus Bonn mit ihrer fulminanten Produktion „Momentum“, die zeigt, zu welch sinnlichen Überraschungen der moderne Tanz fähig ist. Dass gerade dieses kleine Festival, das vom Zentrum für Austausch und Innovation Köln (ZAIK) organisiert wird, so erfolgreich ist, mag auch daran liegen, dass jeder in der Orangerie sich als Mitwirkender verstehen kann. Die Trennung zwischen Bühne und Zuschauerraum löst sich zugunsten eines multimedialen Labors auf, in dem das Experiment immer auch seinen Spaßfaktor unter Beweis zu stellen hat.
Katalyst Festival | 22.-25.6. | Orangerie Theater | 0221 952 27 08
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