Vier Tage lang, vom 26. bis zum 29. Mai, dürfen Fans gelungener Fernsehunterhaltung die Highlights vorab im Kino sehen, die in den nächsten Monaten über Deutschlands Bildschirme flimmern werden. Das Programm ist wie gewohnt abwechslungsreich, von der Dokumentation über neuartige Serienformate bis hin zum Action-Abenteuer fehlt in diesem Jahr nichts. Die verlässliche Konstante bildet natürlich wieder der nächste Köln-Tatort, der während des Festivals vorab auf der Leinwand gezeigt wird („Tatort – Keine Polizei“) und vermutlich wieder bewusst nicht auf den Sonntagabend terminiert wurde. In Hinblick auf das Programm fällt auf, dass es diesmal wenig Humorvolles zu sehen gibt. Keine Komödien, keine Sitcoms. „Das ist Zufall, der sich aus der Verfügbarkeit des Materials ergibt.“, sagt Dr. Frank Weyers-Goebel, verantwortlich für die Auswahl der Festivalbeiträge. „Die Programmstruktur ist immer davon abhängig, was im Moment abgedreht ist und noch nicht gesendet wurde.“
Appetizer fürs TV
Abgedreht und noch nicht gesendet: das gilt auch für ein Drama, das in der bundesdeutschen Gegenwart angesiedelt ist: Der ZDF-Beitrag „Bei Entlassung Mord“ schickt Devid Striesow und Christiane Paul in ein traditionsreiches Maschinenbauunternehmen im Ruhrgebiet, in dem sie als Unternehmensberater die Geschäftspraxis des Managements beäugen. Dass die nicht ganz koscher ist, lässt der Titel bereits erahnen. Die amerikanische HBO-Produktion „Too Big to Fail“ widmet sich starbesetzt dem Bankencrash von 2008. William Hurt, Paul Giamatti und Matthew Modine bilden die prominente Besetzung in einem Finanzkrimi, der auf den Recherchen des Journalisten Andrew Ross Sorkin basiert und ein Bild von den Wochen nach dem Crash an der Wall Street vermittelt. Politisch wird es bei
„A Special Relationship“, eine Koproduktion der britischen BBC und der amerikanischen HBO: Das Drama wirft einen Blick auf die Allianzen und die persönliche Freundschaft von Tony Blair (Michael Sheen) und Bill Clinton (Dennis Quaid). Michael Sheen verkörperte bereits in Stephen Frears‘ gefeiertem Kinodrama „The Queen“ überzeugend den britischen Premierminister.
Serien sind geradezu atypisch fürs Kino: Einzelfolgen sind selten abendfüllend, geschweige denn dramaturgisch in sich geschlossen. Das Unterfangen, ganze Staffeln bzw. Serien am Stück zu zeigen, erfordert wiederum vom Publikum gehörig Sitzfleisch und ist nicht zuletzt logistisch eine Herausforderung. Umgesetzt wurde das zuletzt vor drei Jahren mit Rainer Werner Fassbinders „Berlin Alexanderplatz“. Bis sich vergleichbare Events noch mal umsetzen lassen, bietet das Festival Großes Fernsehen weiterhin Einzelfolgen an, sozusagen als Appetizer für die anstehende TV-Ausstrahlung. Als Highlight serieller Formate wird die britische Produktion „Downtown Abbey“ gehandelt, eine siebenteilige Serie, die vom englischen Landadel am Anfang des 20. Jahrhunderts erzählt. Historisch noch weiter zurück geht das episch angelegte Sandalenabenteuer „Spartacus – Gods of the Arena“. Die US-Produktion fungiert als Prequel zur erfolgreichen Serie „Spartacus“, die anfangs noch auf expliziten Sex und Gewalt setzte, um schließlich auch dramaturgisch zu überzeugen.
Wenn Fernsehen auf Kino trifft
Wie in den letzten Jahren fühlt sich das Festival einem gewissen Bildungsauftrag verpflichtet und geizt nicht mit dokumentarischen Formaten. Der WDR und arte werfen einen neuartigen Blick auf den Homo Sapiens und bieten mit der Wissenschaftsdokumentation „Das Wunder Mensch – Unser Körper in Zahlen“ anschaulich Einblicke in unseren Körper. Wozu dieser noch so fähig ist, zeigt „Kinshasa Symphony“, eine Dokumentation über ein Sinfonieorchester in Kongos Hauptstadt Kinshasa, das nicht nur die Musiker selbst portraitiert, sondern ebenso den Lebensalltag in dem afrikanischen Staat beleuchtet. Der Film lief bereits auf vielen Festivals und darf vor der TV-Ausstrahlung hier noch einmal die Leinwand bespielen. Nicht minder interessant sind die zwei Doku-Beiträge der britischen BBC: „From Haiti’s Ashes“ dokumentiert zeitnah und beispielhaft den Wiederaufbau Haitis nach dem Erdbeben 2010. Und „The Real Life of Anne Lister“ erzählt von der wohlhabenden Landbesitzerin Anne Lister (1791-1840), die im frühen 19. Jahrhundert ihre lesbische Neigung offen auslebte. Dem Film liegen wiederentdeckte, intime Tagebücher zugrunde, die die Frau aus Yorkshire zum Teil verschlüsselt geschrieben hatte. Der Beitrag bildet ein Double-Feature mit dem Spielfilm „The Secret Diaries of Miss Anne Lister“, eine BBC-Produktion aus dem Jahr 2010. Damit prägen auch in diesem Jahr starke Frauen das Festival-Programm.
Historisches, Dokumentarisches, Fiktionales – das Festival bietet eine abwechslungsreiche Vorschau auf das Fernsehprogramm der nächsten Monate. Doch nicht nur das: Am frühen Sonntagabend zeigt das Festival einen Wettbewerbsbeitrag zum 21. Deutschen Kamerapreis, der am 18. Juni in Köln verliehen wird und den Auftakt des 23. medienforum.nrw bildet. Und da der Kamerapreis Fernseh- und Kinoproduktionen gleichermaßen ehrt und auszeichnet, ist ein Beitrag dazu wohl kaum besser platziert als bei einer Gelegenheit wie dieser, wo Fernsehen auf Kino trifft.
Großes Fernsehen 2011 I 26.-29.5. I Cinedom, MediaPark Köln I 0211 87 63 60 42
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