Wuppertal, 18. Juli: Der Fahrgast ist verwirrt. „Ist das eine Alarmanlage?“, fragt er und deutet auf das Gerät am Armaturenbrett. Er ahnt nicht, dass es sich um eine installierte Kamera handelt. Genauso wenig, wie dass der Mann am Steuer kein gewöhnlicher Taxifahrer ist und dies keine normale Fahrt. Denn was in diesem Auto vor sich geht, ist hochgradig illegal.
Es entsteht ein Film von und mit dem iranischen Regisseur Jafar Panahi, der es schafft, ein preisgekröntes Werk über sein Land zu drehen. Das Land, welches ihm 2010 ein Berufsverbot von 20 Jahren erteilt hat wegen angeblicher Propaganda gegen das System. Seine Reaktion: er wird Taxifahrer und dreht heimlich und doch am helllichten Tag mitten im teheraner Großstadttrubel. In einer exklusiven Preview zeigte die Open-Air-Kinoreihe Talflimmern den Film „Taxi Teheran“ Mitte Juli knapp eine Woche vor dem offiziellen Filmstart. „Besondere Filme brauchen eine besondere Bühne. Deswegen mischen wir seit ein paar Jahren auch Previews in unser Programm“, sagt Talflimmern-Veranstalter Mark Tykwer, den wir durch den Abend begleiteten. Die Besonderheit heute: „Es gibt eine durchaus nennenswerte Anzahl von Exil-Iranern im Tal, die an unabhängigen Filmen aus ihrer Heimat großes Interesse haben.“ Dass es im Tal einige weitere Interessierte gab, zeigte ein Blick in den ausverkauften Innenhof der Alten Feuerwache. Rund 200 Zuschauer füllten die Sitzreihen vor der Leinwand, um die fiktive Dokumentation mit als erstes zu sehen. „Wir hätten auch gut und gerne 300 Tickets absetzen können, so hoch war der Ansturm auf die Abendkasse“, so Tykwer.
Alle wollten ihn sehen – den Film, der sich über die knapp 90 Minuten in Panahis Taxi und damit an nur einem Ort abspielt. Kern des Plots sind Gespräche zwischen dem vermeintlichen Taxifahrer und seinen Fahrgästen: ein Händler, der DVD-Raubkopien verkaufen und Panahi zu seinem Geschäftspartner machen will, zwei ältere Schwestern, bepackt mit einem Goldfischglas, die auf dem schnellsten Weg zu einer heiligen Quelle gebracht werden wollen. Oder seine (echte) zehnjährige Nichte, die ihm erst einmal eine Standpauke hält, weil er sie mit „so einer Schrottkarre abholt“, wo er doch Regisseur ist. Ein lebendiger Querschnitt der iranischen Gesellschaft, der da Fahrt für Fahrt einsteigt. Doch worin genau sieht Mark Tykwer selbst die Besonderheit der fiktiven Dokumentation? „Panahis Taxi-Gespräche ermöglichen dem Zuschauer einen vollkommen unverstellten Blick auf die gegenwärtige iranische Gesellschaft, ohne dabei die verkorkste Arbeitssituation von Künstlern und Intellektuellen zu sehr nach vorne zu stellen“, sagt der Bruder von Regisseur Tom Tykwer. „Sehr sympathisch finde ich, dass das restriktive Gesamtklima in jeder Szene mitschwingt, aber eigentlich keine Anklage stattfindet. Zwar äußert sich die kontrollierte Alltagskultur des Mullah-Regimes in den Begegnungen; dennoch spürt man, dass es eine Gesellschaft mit vielen kreativen, offenen Enden ist.“ Auch beim Publikum wurde „Taxi Teheran“ mehr als positiv aufgenommen. Einige Iraner zeigten sich sehr berührt über die ironische und dennoch feine Darstellung der Umstände im Iran. Tykwer und sein Team nahmen dies und die starke Nachfrage zum Anlass, den Film in einer zweiten Vorführung eine Woche später erneut zu zeigen: „Die Menschen interessieren sich für den Iran – vermutlich auch im Kontext des eben vereinbarten Atomabkommens.“
Talflimmern-Webseite: www.talflimmern.de
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