„Jetzt bestimme ich!“ Was manch einer als das trotzige Manifest eines Heranwachsenden fürchtet, ist beim Kinofest Lünen gelebtes Konzept. Der Souverän namens Publikum zeigt nach der Vorstellung der Gunst-Suchenden, die hier nichts Geringeres als deutsche Filme in einem breit-buntem Querschnitt sind, mit dem Daumen nach oben oder nach unten sein Urteil. Keine Entscheidung über Leben und Tod, sondern die Vergabe einer anmutigen jungen Lady, die der Blumenfrau an Lünens Marktplatz nachempfunden und gleichzeitig der Hauptpreis für die Werke aktiver Nachwuchsregisseure ist: die Lüdia. Zum 25. Mal nun öffnet dieses basisdemokratische Kinofest in Lünen die Tore für neue Spiele, setzt altbewährte Traditionen fort, bleibt dabei progressiv und wartet mit 54 aktuellen Filmen auf.
Den Startschuss zur Eröffnungsgala gibt der Regisseur Edward Berger mit seinem jüngsten Spielfilm „Jack“. 1998 durfte er mit seinem Debütfilm „Gomez – Kopf oder Zahl“ bereits die Lüdia in Empfang nehmen, nun präsentiert er seinen Berlinale-Beitrag über einen vernachlässigten Berliner Jungen, dem viel zu früh die Bürde des Erwachsenwerdens auferlegt wird. Das leidige Erwachsenwerden wird auch in einigen der zehn Langfilme, die um die Lüdia konkurrieren, thematisiert. Gleich um die Ecke angesiedelt, in der Stadt von „Bang Boom Bang“ machen die neuen Helden aus „Young and Wild“ die Straße unsicher. Doch langsam dämmert einem jeden, dass die Teenagerjahre sich dem Ende zu neigen. Die Protagonisten der Doku „Die Menschenliebe“ wünschen sich dagegen erwachsen zu werden. Vor allem in den Augen ihrer Mitmenschen. Regisseur Maximilian Haslberger begleitet Menschen mit Behinderungen, denen ein mündiges Leben oftmals verweigert wird. Der 17jährige Mateo der Tragödie „Los Ángeles“ ist mit der ihm übertragenen Verantwortung überfordert. Um sich die Hilfe einer Gang bei der Immigration von Mexiko in die Stadt der Engel zu sichern, muss er morden. Damian John Harper malt das Bild eines Lebens, in dem vielmehr Dämonen als Engel das Sagen haben.
Auch die weiteren elf Kategorien sind nuancenreich: In der internationalen Koproduktion „Giraffada“, die im Wettbewerb um den Kinder- und Jugendfilmpreis RAKETE läuft, kämpft der kleine Ziad im Westjordanland darum, eine traumatisierte Giraffe mit einer Giraffe in Israel zusammenzubringen. Das Format der Kurzfilme vertritt würdig Nicolai Wolf mit „Pfandfrei“, der den erbitterten Kampf zwischen Straßenreinigern und Pfandsammlern unterhaltsam choreografiert. Jedoch mit einem bitteren Ergebnis. Im Wettbewerb um die Perle, den Preis für Frauen aus der Filmbranche, geht die israelische Regisseurin Vanessa Lapa in „Der Anständige“ der Frage nach, wie Heinrich Himmler sich selbst seinen eigenen Grundsätzen nach als Held sehen konnte.
Auf die Filmemacher warten am Ende des Festivals zwölf Auszeichnungen, u.a. der Berndt-Media-Preis für den besten Filmtitel. Während des Festivals erwartet sie bereits ein engagiertes Publikum, das sich die Möglichkeit, mit den Filmschaffenden ins Gespräch zu kommen nicht nehmen lässt und diese Tradition des Lüner Kinofests weiterführt. Vielleicht bis zur goldenen Hochzeit von Produzierenden und Rezipierenden des Kinos.
25. Kinofest Lünen I 13.-16.11. I Cineworld Lünen I www.kinofest-luenen.de
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