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„42. Street“ steppt in Wiesbaden
Foto: Lena Obst

Der Star und die Newcomer

26. September 2013

In Bonn und Wiesbaden geht die (Musical-)Post ab – Musical in NRW 10/13

Seit fast 50 Jahren steht Katja Epstein ihre Frau im Showbusiness, vertrat Deutschland dreimal erfolgreich beim Grand Prix de la Chanson und begeistert nun mit „Sister Class“ nicht nur ihre Fangemeinde. „Sister Act“ als Ein-Frau-Musical sozusagen, denn auch Katja Epstein schlüpft in die Rolle einer Nonne. Nur dass sie nicht in einen Mordfall verwickelt ist, sondern als Schwester Marie Claire versucht, ihrem Kloster mit einem Marketing-Konzept auf die Sprünge zu helfen.

Nachdem ihre ersten Seminare („Wie viel Nonne steckt in dir?“) floppten, kann sie mit „Sister Class, eine Nonne coacht“ endlich die erwünschte Außenwirkung erreichen. Und so wird das Publikum zu Seminaristen eines Crash-Kurses in Sachen Lebenshilfe und Weltverbesserung, gewürzt mit den Liedern ihres Lebens, die sie mal kraftvoll, mal „leise“ und charismatisch wie eh und je über die Rampe bringt, einfühlsam begleitet von Stefan Kling am Klavier. In der Pause schlüpft sie von der Nonnentracht in die Heilsarmee-Uniform, um jetzt mit literarischer Hilfe von Brecht und Heine politische Töne anzuschlagen. Hatte sie uns im ersten Teil noch mit strahlendem Optimismus („Wunder gibt es immer wieder“), aber auch frechen Liedern beglückt, so rührt sie nun mit „Sind so kleine Hände“ zu Tränen.

Ihr Ausflug ins amerikanische Showbusiness wird dann zum Höhepunkt des Abends: Katja Epsteins Interpretationen von „Send in the Clowns“ und „My Funny Valentine“ gehören zu den besten. Und die deutsche Fassung des Kult-Movie-Songs „As Times Goes Bye“ wird zum Credo dieser frenetisch beklatschten One-Women-Show: „Die Liebe bleibt“. Eine Reise außerhalb NRWs wert ist auch Wiesbaden, obwohl auf den ersten Blick im Jugendclub des Staatstheaters der helle (Musical-) Wahnsinn ausgebrochen zu sein scheint. Da traut man sich an ein Stück, für dessen Filmversion Busby Berkeley 1933 eine seiner spektakulärsten Choreographien schuf, und dessen Theater-Remake 1980 für seine „größten Stepp-Choreographien der Broadwaygeschichte“ in die Annalen einging.

Aber die Musical-verrückte Haus-Regisseurin und -Choreographin Iris Limbarth scheut keine Herausforderung. Und so ist man, wenn sich der Vorhang bis in Kniehöhe hebt und den Blick auf eine Chorus-Line steppender Unterschenkel freigibt, gleich in der 42. Straße angekommen. Das Musical erzählt die altbekannte Geschichte vom Showgirl, das für die verletzte Hauptdarstellerin einspringt und zum Star wird. Irgendwie könnte sich die Geschichte auch in der Realität fortsetzen – denn Anna Heldmaier spielt das Landei Peggy Sawyer mit so viel Charme und Talent auf allen drei Musical-Ebenen, dass nicht nur ihre Bühnen-Partner, sondern auch die Zuschauer ganz vernarrt in sie sind. Fast schon legendär sind die schauspielerischen Kabinettstückchen von Felicitas Geipel, die diesmal der alternden Diva Dorothy Brock ihr theaterfüllendes Charisma verleiht.

Zusammen mit dem vor Spiellaune „überschäumenden“ Ensemble brennen sie ein Musical-Feuerwerk ab, dem die stilechten Glamour-Glitzer-Kostüme und der schwungvolle Big-Band-Sound noch das Sahnehäubchen aufsetzen.

www.kleinestheater-badgodesberg.de
I www.jugendclubtheater.de

Rolf-Ruediger Hamacher

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