Es war ein großer Abend fürs Große Fernsehen: Am 18. Juni eröffnete die WDR-Produktion „Frau Böhm sagt Nein“ das Festival Großes Fernsehen. Der Fernsehfilm lief im gut gefüllten zweitgrößten Saal des Cinedom, dazu gab es Sektempfang und Popcorn, so viel man wollte. Trotzdem war die Produktion alles andere als Popcornkino, oder besser: Popcornfernsehen – und das im positiven Sinne. Das gleiche galt für die anderen deutschen TV-Filme, die an den vier Festivaltagen ihre Vorpremiere auf der Leinwand feiern durften: Senta Berger in der Rolle einer loyalen Sekretärin, die von den Machenschaften ihrer gierigen Chefs erschüttert wird; skrupellose Immobilienmakler in der ZDF-Produktion „Über den Tod hinaus“; eine „Bloch“-Folge über einen Kriegstraumatisierten – ungewöhnlich ernst gab sich die Auswahl deutscher, fiktionaler Fernsehkost im vierten Jahr der Veranstaltung.
Aber das Festival ist auch kein stellvertretender Querschnitt durch das nächste Fernsehjahr. Wie jedes Jahr ging es in dem Festival darum, dem Publikum Produktionen vorab zu zeigen, die von den Sendern als wertvoll genug betrachtet werden und die rechtzeitig dem Festival vorlagen. Das traf diesmal auf die genannten David-gegen-Goliath-Produktionen zu, die sich Moralgrenzen nähern oder, so Senta Berger, „ermutigen“ sollen. „Ich freue mich, dass der WDR auch das für Großes Fernsehen hält, wo kleine Menschen ganz groß vorkommen“, sagt Caroline von Senden aus der Redaktionsleitung Fernsehfilm beim ZDF. Mit Andreas Senn („Über den Tod hinaus“) habe man einen Regisseur, „der in der Wirklichkeit seine Themen sucht“. Die heißt momentan „Krise“, und da passt es, wenn sich die Öffentlich-Rechtlichen auf die Seite der kleinen Leute schlagen. Andererseits wäre es sicher nicht minder interessant, auch mal die Großen, sprich skrupellose Manager und Krisenverdiener, zu portraitieren.
Natürlich blieb es auch in diesem Jahr nicht zu ernst. Neben der kostümprächtigen Opernverfilmung „La Bohème“ durfte man Jean-Michel Cousteau dabei folgen, wie er in die Flossenstapfen seines Vaters trat und abenteuerlich das Meer erschloss. Kurzweil zum Popcorn schließlich versprachen vor allem die zukünftigen Serien: US-Regisseur Sam Raimi („Evil Dead“, „Spiderman“), der soeben mit „Drag me to Hell“ im Kino gelungen zu seinen Trash-Genre-Wurzeln zurückkehrte, wird sich nun auch im Fernsehen mit seinen Fantasy-Phantasien austoben („Legend of the Seeker“). Oder man besucht in „Meadowlands“ eine Kleinstadt, die ausschließlich auf Lügen aufgebaut wurde.
Während es also inhaltlich bewährt phantasievoll blieb, wurde die Struktur des Festivals nachgebessert: Diesmal wurden – abgesehen von den Beiträgen zum Deutschen Kamerapreis – keine Vorführungen parallel programmiert. Kein Zappen mehr also beim Fernsehen im Kino. Aber das ist auch nicht nötig: Bei der Auswahl, die das Festival zeigt, werden die TV-Abgründe der Nation ja dankbar ausgesiebt.
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