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Abgedreht

Abgedreht
USA 2007, Laufzeit: 101 Min., FSK 0
Regie: Michel Gondry
Darsteller: Jack Black, Mos Def, Danny Glover, Mia Farrow, Sigourney Weaver, Melonie Diaz

Mike arbeitet in einer heruntergekommenen Videothek. Als sein Kumpel Jerry, gerade frisch zurück von einem Sabotageakt im Elektrizitätswerk, den Laden betritt, löscht der Magnetisierte alle VHS-Kassetten. Um nicht auch noch die letzten Kunden zu verlieren, drehen die beiden Remakes der gelöschten Filme.

Dass Michel Gondry hemmungsloser Anhänger des Infantilen ist, belegt nicht nur sein autobiographischer Dokumentarfilm „I’ve been 12 forever“ aus dem Jahr 2003, sondern auch der Style seiner Do it yourself-Specialeffects in seinem letzten Spielfilm „Science of Sleep“, der die kindlich verspielte Welt eines Selfmade- Regisseurs offenbarte. „Science of Sleep“ verband raffiniertes, mehrere Ebenen ineinander verschachtelndes Storytelling mit Kinderzimmer-Videobastelei. Es wurde trotzdem ein Erfolg. In „Abgedreht“ – im Original ungleich schöner betitelt mit der Videokassettenaufschrift „Be kind rewind“ – wird zwar auch wieder hemmungslos gebastelt, Gondry beugt sich nun aber zumindest den konventionellen Regeln des Geschichtenerzählens. Oder doch nicht?

Die Kleinen und die Bösen

Mr. Fletchers altmodische Videothek soll einem modernen Wohnungsprojekt weichen. Das baufällige Haus zu sanieren wäre die letzte Chance, die Entwicklung abzuwehren. Aber das kostet viel Geld, und Fletcher kann kaum die Videothek halten. Unter einem Vorwand macht er sich auf, die Geschäftspraktiken moderner DVD-Verleihs zu analysieren. Die Videothek vertraut er in seiner Abwesenheit seinem Mitarbeiter Mike, dargestellt von dem großartigen Mos Def, an. Nur eine Bitte hat er: Mikes tollpatschiger Kumpel Jerry, gespielt vom notorischen Jack Black, soll den Laden nicht betreten. Es kommt, wie es kommen muss: Jerry, gerade von einem Sabotageversuch beim örtlichen Elektrizitätswerk zurück, betritt magnetisiert den Laden und löscht aus Versehen alle Kassetten. Um nicht auch noch die letzten Kunden zu verlieren, müssen sie nun die gewünschten Filme selbst nachdrehen. Den Kunden sagen sie, dass man für die angeblich extra aus Schweden importierten Videos einen Tag warten muss. Tagsüber drehen sie also „Ghostbusters“, „Rush Hour 2“ oder „Robocop“ nach, abends wundern sie sich über den reißenden Absatz: Die ‚geschwedeten’ Versionen – wie sie nun heißen – sind ein Überraschungserfolg. Doch die Filmindustrie schläft nicht und sieht darin eine Copyright-Verletzung. Mrs. Lawson (!) rückt in einer großen Limousine an und lässt die Kassetten platt walzen. Das Volk ist empört, das Gesetz beleidigt: “Klar, jetzt sind wir wieder die Bösen“. Am Ende gewinnen die kleinen Leute. Oder doch nicht?

Geschwedetes Eigenleben

Gondry ist schon seit über 20 Jahren als Filmemacher beschäftigt. Angefangen hat er mit kleinen Animationsfilmen in Stop Motion-Technik. Selbstgebasteltes war hier allgegenwärtig. Als Gondry Ende der 80er Jahre anfing, Music-Clips zu drehen, war es kein allzu weiter Weg mehr zu seinen fantasievollen Videos für Björk, Daft Punk oder den White Stripes, die technisch immer aufwändiger wurden. Reine Werbeaufträge, darunter der meist ausgezeichnete Werbefilm aller Zeiten – „Drugstore“ für Levis – folgten. Jetzt schließt er stilistisch wieder an seine früheren Arbeiten an und unterwandert die von Hollywood geforderte technische Perfektion mit seinem radikalen DIY-Modus. Dabei entzaubert er deren Trickarsenal, indem er dem CGI-Overkill eine bezaubernd fantasievolle No Budget-Tricktechnik entgegensetzt. Das subversive Potential reicht aber noch weiter: Er macht sich mit dem Auftritt von Sigourney Weaver als Mrs. Lawson nicht nur über die Anti-Piraterie-Kampagnen der großen Filmfirmen lustig (natürlich erscheint „Abgedreht“ auch bei einer solchen, die Produktionsfirma heißt aber immerhin Partisan). Auch schleift er die konventionelle Rahmenhandlung nur relativ lustlos mit – die obligatorische Liebesgeschichte wird im Keim erstickt, dem Happy End ist auch nicht zu trauen. Und schließlich arbeitet er an seiner eigenen Entmachtung als Regie-Star. Mag „Abgedreht“ auch seine Schwächen haben, Gondrys großartige Grundidee expandiert längst im Internet. Nicht nur Mike und Jerrys geschwedete Filme, die offensichtlich das Herzstück von „Abgedreht“ sind, kursieren dort bereits. Dank eines kleinen Wettbewerbs wurde inzwischen eine Lawine mit ‚sweded versions’ auf You Tube losgetreten, die die Kreativität jedes einzelnen herausfordert. Gondrys DIY-Projekt hat sich also längst verselbstständigt und führt im Netz ein unüberschaubares kreatives Eigenleben. Dort findet man Versionen von „Star Wars“, „300“, „Rambo“ und anderen Filmen mit bis zu 50.000 Klicks. Das geht so weit, dass sogar der Trailer zu Gondrys “Science of Sleep“ als sweded version zu finden ist.

(Christian Meyer)

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