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Der Brutalist

Der Brutalist
USA 2024, Laufzeit: 215 Min., FSK 16
Regie: Brady Corbet
Darsteller: Adrien Brody, Felicity Jones, Guy Pearce
>> www.upig.de/micro/der-brutalist

Epos um Architektur und Erinnerung im Schatten von Faschismus und Kapitalismus

Trauma in Beton
„Der Brutalist“
von Brady Corbet

Am Anfang: Chaos. László Toth (Adrien Brody) hat den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg überlebt, doch das Europa, das er als Architekt mit seinen am Bauhaus geschulten Ideen einst mitgestalten wollte, liegt in Trümmern. In den Nachkriegswirren sucht er wie andere Displaced Persons nach einer neuen Heimat. Toth ist jüdischer Ungar; von seiner Frau Erzsébet (Felicity Jones) wurde er während des NS-Terrors getrennt. Als er die Möglichkeit bekommt, in die USA zu emigrieren, ergreift er die Chance und hofft, dass Erzsébet ihm irgendwann folgen kann.

Das wuchtige, über drei Stunden lange Filmepos von Brady Corbet folgt Toth auf dem Weg in ein neues Leben im ‚Land der unbegrenzten Möglichkeiten‘, wo der Architekt tatsächlich die Chance auf seine persönliche Variante des Amerikanischen Traums bekommt, die sich aber als tückisch erweisen wird. Eine filmische Tour de Force, die Corbet und seiner Co-Autorin und Partnerin Mona Fastvold nach ihrem fulminanten Erstling „Childhood of A Leader“ (2015) sowie „Vox Lux“ (2018) eine weitere Einladung zum Filmfestival in Venedig bescherte, wo Corbet 2024 mit dem Regie-„Löwen“ geehrt wurde.

Zur Schlüsselfigur für Toths US-Karriere, aber auch zu seiner Nemesis, wird ein reicher Gönner, der ein monumentales Bauwerk bei ihm in Auftrag gibt: Für den Selfmade-Millionär Harrison Lee Van Buren (Guy Pearce) soll Toth ein Kultur- und Gemeindezentrum auf einem Hügel nahe seines Landsitzes in Pennsylvania errichten – einen Mehrzweckbau mit Raum für Sport und Bildung inklusive eines Kirchenraums. Toth lässt sich mit Enthusiasmus auf die Herausforderung ein, die die Realisierung seiner kreativen Visionen zu sein verspricht. Doch das (Abhängigkeits-)Verhältnis zu Van Buren, diesem Herrenmenschen kapitalistischer Prägung, bleibt schwierig, das Gefühl, ‚displaced‘ zu sein, lässt sich nicht abschütteln. Selbst als Erzsébet wieder mit ihm vereint ist, schwären die Wunden der NS-Zeit weiter– und das Bauprojekt, das sich immer mehr in die Länge zieht, wird vom Zweckbau zur Symbolarchitektur für diese Wunden.

Nachdem „The Brutalist“ kürzlich schon bei den Golden Globes zu den großen Gewinnern gehörte, könnte er 2025 auch bei den Oscars absahnen. Dass vor der Verkündung der Nominierungen Vorwürfe gegen die Produktion laut wurden wegen des Einsatzes von KI (mit der wohl vor allem dem Ungarisch von Adrien Brody und Felicity Jones der letzte Schliff gegeben wurde), sollte die Hochachtung vor dem nicht mindern, was Corbet und sein Team da auf die Beine gestellt haben: ein visuell packendes, intensiv gespieltes, vielschichtiges Künstlerdrama um einen Mann, der den europäischen Faschismus überlebt, um sich im (US-)Kapitalismus und in einer von Geld strukturierten Gesellschaft wiederzufinden, die den Freiheitsversprechen zum Trotz Zwänge neuer Art schafft. Auf analogem Breitbildmaterial gedreht, eröffnet der Film suggestive Raum – und vor allem Architekturfantasien als Seelenlandschaften einer Mid-Century-Moderne, die energisch der Zukunft zustrebt, in die sich das Vergangene aber hartnäckig eingeschrieben hat.

(Felicitas Kleiner)

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