Der Exorzist
USA 1973, Laufzeit: 132 Min., FSK 16
Regie: William Friedkin
Darsteller: Linda Blair, Ellen Burstyn, Max von Sydow, Lee J. Cobb, Kitty Winn, Jack MacGowran, Jason Miller, Rudolf Schündler, Barton Heyman
lahm
star (3), 23.06.2001
das soll der schrecklichste film aller zeiten sein? vor 20 jahren vielleicht. ich hab ihn sogar in der spätvorstellung gesehen und mich zu tode gelangweilt (und eigentlich bin ich ein schreckhaftes mädchen!). das einzige was uns einmal hochgeschreckt hat (eigentlich eher aufgeweckt!) war das laute unerwartete telephonklingeln!!!
Der Teufel im Detail
Max.Renn (8), 25.04.2001
Es ist schon bemerkenswert, dass ein Film fast 30 Jahre nach seinem Erscheinen und zahlreicher Video- und TV-Auswertung immer noch im Stande ist, Zuschauer ins Kino zu locken. Und gerade wenn es sich dabei um einen Horrorfilm handelt, muss dem modernen Publikum schon einiges geboten werden, damit es angesichts anderer blutrünstiger Streifen nicht ins Gähnen verfällt.
Bei "Der Exorzist" mag wohl zweierlei das Interesse geweckt haben: zunächst der "Mythos" um einen Film, der 1973 für großes Aufsehen gesorgt hat und den nicht wenige Zuschauer schlecht verkraftet haben (ich erinnere mich an zeitgenössische BILD-Meldungen von Suizidversuchen nach dem goutieren des Films!). Das dürfte diejenigen Zuschauer angelockt haben, die den Film noch nicht kennen. Daneben sollten aber vor allem die im Nebentitel "Director's Cut" suggerierten zusätzlichen Szenen den durch die Horrorfilmgeschichte exorzierten Fan noch einmal ins Kino locken. Und gerade diese Szenen, die in den Teasern Monate vorher schon blitzartig vorüber zuckten, füllten schließlich die zweite Hälfte des Kinosaals. Szenen sollten es sein, die man damals nicht hatte zeigen dürfen um der Pietet der 70er Jahre nicht zu viel zuzumuten. Szenen, die die Gesamtaussage des Filmes noch einmal vollständig umkrempeln sollten.
Die kleine Regan (Linda Blair) lebt mit ihrer Mutter Chris (Ellen Burstyn) und einer Haushälterin nahezu allein in einer Londoner Wohnung. Der Vater lässt sich nie blicken und ruft nicht einmal zum Geburtstag der Tochter an. Das Verhältnis von Tochter und Mutter ist jedoch ungetrübt und freundschaftlich. Doch ist die Mutter aufgrund ihres Berufs (Schauspielerin) oft gezwungen, Regan allein zu lassen. So nimmt sie zunächst kaum Kenntnis von Regans sich nach und nach änderndem Verhalten. Die Kleine frappiert ihre Umgebung mit Verbalinjurien und Taten, die ihre Mutter schließlich glauben machen, dass Regan ein ernstes psychisches Problem hat. Regan durchläuft daraufhin den schmerzhaften Weg der klinischen Diagnostik - jedoch ohne dass die Ärzte einen Anhaltspunkt für ihr immer sonderbareres Verhalten finden. Als Regan schließlich vollständig apathisch wird und zudem beginnt sich auch äußerlich zu verändern, sucht ihre verzweifelte Mutter letzte Hilfe bei Pater Damien (!) Karras (Jason Miller). Der mit seinem Glauben hadernde Geistliche zögert zunächst, überzeugt dann jedoch seine Kirche eine Exorzismus an Regan durchführen zu lassen. An der Seite von Pater Merrin (Max von Sydow) versucht er Regan von ihrem Dämon zu befreien. Eine schwere Prüfung für seinen Glauben, den er dadurch wiederzufinden hofft.
Was zunächst als recht oberflächlicher (und zudem stellenweise dramaturgisch inkonsequenter) Horrorfilm daherkommt, offenbart recht bald sein eigentliches Potenzial. Nicht zuletzt will "Der Exorzist" als Allegorie auf die sekularisierte Moderne verstanden werden: die Auflösung von Ehe und Familie, die Schwierigkeit - selbst für einen Geistlichen wie Pater Karras - zur Metaphysik zu stehen und "einfach zu glauben". Die fortschrittlichen Verhaltensweisen der modernen Gesellschaft stoßen in "Der Exorzist" auf das archaische Zerrbild des Bösen schlechthin, das darüber hinaus auch noch die Unschuld in Form des Kindes infiziert und damit die Frage nach dem "Warum?" noch stärker akzentuiert.
Sicherlich: Eine derart kulturkritische Auslegung dieses 30 Jahre alten Films verliert (zumindest für Kulturkritiker) nie ihre Aktualität: Was sich 1973 vielleicht als "böses Omen" ausnahm - die zerstörte Familie, die Agonie des Glaubens oder die Dekadenz der Gesellschaft - hat sich heute vielfach ausformuliert. Aber gerade diese "versöhnlichere" (filmdienst) Fassung des Exorzisten will sich der rein pessimistischen Auslegung entgegenstellen. Die 11 zusätzlichen Minuten präsentieren nämlich nicht allein Spezialeffekte, die damals tabuisiert waren, sondern formen die Erzählung von "Der Exorzist" auch geschickt um.
Technisch aufpoliert liefert uns "Der Exorzist"-Director's-Cut ein utopisches Bild aus den 70er Jahren und gleichzeitig einen Horrorfilm, der damals Maßstäbe gesetzt hat, den jedoch das Genre mit seinem Übertreffungswahn an "Thrill, Blood & Guts" selbst zu verschlingen drohte. Die Wiederveröffentlichung stellt sich dem Vergessen des Klassikers nicht nur erfolgreich entgegen, sondern könnte auch dazu führen, dass andere alte Filme, die vielleicht ebenfalls nicht das Prädikat "Kulturgut" für sich beanspruchen dürfen, restauriert, überarbeitet und ergänzt, auf jeden Fall aber wieder gesehen werden.
(Stefan Höltgen)
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