Happy End
Frankreich, Österreich, Deutschland 2017, Laufzeit: 108 Min., FSK 12
Regie: Michael Haneke
Darsteller: Isabelle Huppert, Jean-Louis Trintignant, Mathieu Kassovitz, Toby Jones
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Kühle Gesellschaftssatire
Bröckelnde Fassaden
„Happy End“ von Michael Haneke
Es wirkt zunächst wie ein Videotagebuch: Ein Mädchen filmt in der eigenen Wohnung die Mutter und hält deren abendliches Zu-Bett-Gehen fest, zeigt sie beim Mittagsschlaf oder in der Küche. Schon bald wird klar, das hier kein Familienidyll zu sehen ist. Die Mutter ist schwer depressiv und medikamentenabhängig, das Mädchen Eva (Fantine Harduin) füttert den eigenen Hamster mit Antidepressiva – dysfunktional ist gar kein Ausdruck dafür. Als die alleinerziehende Mutter nach einer Überdosis im Krankenhaus landet, nimmt ihr Vater Thomas (Matthieu Kassowitz) Eva zu sich auf. Der Kontrast könnte nicht größer sein: Jetzt wohnt sie in einem schlossähnlichen Anwesen mit ihrem Vater, dessen neuer Frau Anaïs (Laura Verlinden) und deren neugeborenem Kind. Außerdem leben dort der Opa Georges (Jean-Louis Trintignant), der mit seiner Baufirma einst den Reichtum der Firma begründet hat, und die Tante Anna (Isabelle Huppert), deren erwachsener Sohn Pierre (Franz Rogowski) ebenso wie ihr Verlobter Lawrence (Toby Jones) hin und wieder in dem Anwesen vorbeischaut, und nicht zuletzt ein Paar mit nordafrikanischen Wurzeln, dass hier als Bedienstete arbeitet.
Von der Hölle ins Paradies, könnte man aus Evas Sicht meinen. Und doch ist es bei genauerer Betrachtung eher vom Regen in die Traufe: Der Vater hat schon wieder eine Affäre, der Opa ist mal dement, und wenn er klar ist, ist er suizidal. Und der Sohn der Tante droht als schwarzes Schaf aus der Tradition der Familiendynastie auszubrechen. Was bleibt, sind die Videoaufzeichnungen, die Eva auch hier fortsetzt und die natürlich nicht als altmodische Homemovies gehortet, sondern immer gleich gepostet werden – über Instagram, Facebook, Snapchat, Periscope, was auch immer.
Michael Haneke war schon immer ein kühler Beobachter des bürgerlichen Grauens, das sich hinter scheinbar intakten Fassaden abspielt. Die Anfangsszenen im Haus der Mutter erscheinen wie ein Wiederhall von Hanekes frühem, 25 Jahre alten Meisterwerk „Benny‘s Video“. Die permanente Beobachterperspektive durch die Kamera, der Umgang mit dem Haustier, die gefühlskalte Mutter – all das kennt man von Hanekes Film aus dem Jahr 1992. Aber keine Angst: Gehört „Benny‘s Video“ nach wie vor zu den nur äußerst schwer zu ertragenen Werken der Filmgeschichte, wirkt „Happy End“ im Vergleich zu den meisten Filmen des Österreichers fast leicht und beschwingt. Sicher: „Happy End“ – das darf man hier nicht wörtlich nehmen, sondern muss es im Sinne der Protagonisten verstehen, die bis zum Ende versuchen, den Schein zu wahren. Wie schon beim Titel fallen die humorvollen Anteile des Films am ehesten unter die Rubrik Sarkasmus. Klar und kühl bleibt Hanekes Film aber auch dann, wenn er die absurden und zynischen Abgründe der High Society-Familie in grotesken Szenen ausleuchtet. Denn letztendlich geht es hier natürlich nicht nur um diese eine Familie des Geldadels, sondern um grundsätzliche soziale und moralische Fragen. Da gibt es keinen Grund für filmische Kompromisse. Für Haneke schon gar nicht.
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