No Other Land
Palästina, Norwegen 2024, Laufzeit: 95 Min., FSK 16
Regie: Basel Adra, Hamdan Ballal, Yuval Abraham
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Aufwühlendes Dokument über die israelische Siedlungspolitik
Vertreibung
„No Other Land“ von Basel Adra, Yuval Abraham, Hamdan Ballal, Rachel Szor
Im südlichen Westjordanland liegt Masafer Yatta, eine Ansammlung palästinensischer Siedlungen. Das Gebiet steht seit 1967 unter israelischer Militärbesatzung. 1977 wird es von der israelischen Armee als Schießübungsplatz deklariert. 1981 erklärt Ariel Scharon, die Auszeichnung als militärisches Übungsgebiet sei bloß Vorwand gewesen, um den Weg für israelische Besiedlung freizumachen. 1996 wird hier Basel Adra geboren, Co-Regisseur dieses Dokumentarfilms. 1999 werden die Bewohner aufgefordert, das Gebiet zu verlassen. Zuerst sagen die Räumkommandos den Bewohner:innen: Wir brauchen euer Land für Panzermanöver. Dann sagen sie: Das ist Militärgelände, ihr dürft hier nicht wohnen. Irgendwann sagen sie den Bewohner:innen: Ihr seid Invasoren in militärischem Gebiet.
Basel erlebt als Kind Gewalt, Schikane und Vertreibung. Er erlebt, wie Bulldozer anrollen in Begleitung von israelischen Soldaten. Mit fünf Jahren erlebt er, wie sein Vater erstmals in Haft gerät. Mit sieben protestiert Adra das erste Mal: „This is my land!“ Irgendwann flankieren israelische Soldaten nicht mehr nur Bulldozer, sondern auch israelische Siedler, die mit Gewalt gegen die palästinensischen Siedlungen vorgehen. Adra ist inzwischen ein junger Mann und erlebt, dass über das Unrecht in den Medien nicht berichtet wird. Also beschließt er, zur Kamera zu greifen. Um Menschen zu erreichen, um Öffentlichkeit herzustellen. Irgendwann gesellt sich ein israelischer Journalist dazu: Yuval Abraham. Die beiden Männer arbeiten fortan zusammen und freunden sich an. Für „No Other Land“ erhalten sie auf der Berlinale 2024 den Dokumentarfilmpreis.
Zuerst einmal ist dieser Film ein Dokument. Ein Dokument, das Vorgänge bezeugt, die in der Folge von den Vereinten Nationen 2022 als „mögliches Kriegsverbrechen“ eingeordnet werden. Ein Dokument, das eine persönliche Geschichte erzählt. Ein subjektives Dokument mit klarem Kontext: Herkunft, Heimat, Identität: „This is my land.“ Der Film ist ein Puzzleteil, das zeigt, was an einem Ort in diesem Konflikt in Nahost passiert. Das das Geschehen vor Ort zwischen 2019 und 2023 betrachtet und historisch grob mit Archivmaterial einordnet. Das von Schicksalen erzählt, von vertriebenen, verletzten, verzweifelten und ermordeten Menschen. Von der Folge einer radikalen, menschenfeindlichen Siedlungspolitik. Und davon, wie die Kinder der Gemeinde immer wieder Licht ins Dunkel bringen, wenn die Erwachsenen mit ihnen lachen, sich freuen für einen Augenblick, Quatsch machen. Kinder sind Ventil, die Älteren finden hier Trost über die ungetrübte Unschuld der Kleinen. An Adra und Abraham wiederum reiben sich anschaulich die Konsequenzen der jeweiligen Staatsangehörigkeit. Und sie tauschen sich aus über ihre Rollen, reflektieren darüber, was Kraft schenkt, reden über Zweifel, Verantwortung, Geduld und über eine Lösung.
Der Film ist ein wertvolles Puzzleteil. Ein schmerzvolles, blutiges Puzzleteil. Adra und Abraham sagen am Schluss, dass der Film im Oktober 2023 endet. Das trifft nur in Teilen zu, lässt er doch noch einige Ergänzungen in Wort und Bild folgen. Aber dieser Film endet auch nach dem Abspann nicht. So wie seine Geschichte nicht dort beginnt, wo der Film anfängt. Im Rahmen der Berlinale entstehen, auch von Seiten der Filmemacher, politische Forderungen, andere Künster:innen und Aktivist:innen springen auf. Antisemitismus steht im Raum, und Claudia Roth windet sich haarsträubend aus der erhitzten Diskussion, indem sie klarstellt, ihr Applaus hätte nur Abraham gegolten, nicht Adra. Dieser Film endet nicht im Oktober 2023. Dieser Film endet nicht. So wie jedes Puzzleteil in diesem Konflikt.
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